wii d immer unser geimanischer Märchenschatz bleiben, und als kästlichstes Besitztum
aus dieser Fülle die Saminlung der Briider Griinm. Sie ist fein illustrieit van
P. Meyerheim und launig von Heiinann Vvgcl. Für ein späteres Alter reihen sich
ihnen die „Kunsimärcdcn" an, die aber anch schvn längst unserer lebendigen National-
Lileratur cingefügt sind. Bon Andersen nenncn wir die von Werlhcr und Lobe-
danz besorgten Sammliingeu, sowie die bei Hendcl erschienene billige Gcsamlausgabe.
Jn demselden Verlage sind auch Hauffs sämtliche Märchen erschiencn. Wenn sie
auch nicht dic klassische Naiviiät unserer Volksinäichen oder die feinc Zuschleifuiig der
Audeisenschcn zeigen, so stammeii sie doch trvtz ihrcr vielcn Wunder nicht niinder ans
dem Lande Poesie, was man von den landläufigen Sammelsurien nichl durchweg be-
hauplerr darf. Tas Herzblut eincs Dichters pulst auch in Leanders „Träumercien
an franzvsischkn Kaminen"; sie regeu nicht auf, aber sie erquicken Phantasie un d
Gemüt. Empfohlen werden mag hier auch noch das tresfliche Buch von Vvgel,
„Frau Mäie".
Zu den Vermächlnissen aus unseres Vvlkes Jugend für seine Jugend in allen
Zeiten gehört ncben dcm Märchcn die Sage, und nalürlich in erstcr Reihe unser
großes Nationalepos Es ist eine ästhelisch und pädagogisch sehr ernst zu nehmende
Frage, in welcher Gestalt man dem Kinde zuerst das Nibelungen- und Gudrun-
lied darbieten will. Wer ihm den in jedem Gewande zwingeiiden Stoss des ersleren
in einer Zeit nicht mehr vorenthalten mag, wo es sür die poetische Fvrm noch nicht
reif ist, der sei hingewiesen aus die Bearbeilungen von A. Richter und H. Möbius.
Das vollständige Epos zur Privatlektüre zu üderlassen, wird wohl nur im reiferen
Alter angängig sem. Wenn hier die bekaiinlen Ilebersetzungen von Simrock oder
Bartsch durch den elwas ungelenken Rhythmus den Genuß wesentlich beeintiächtigtcn,
wie jeder aus eigener Erfahrung destäligen wird, so ist die Sctiwierigkeit gcboben in
den vollständigen Ausgaben von Legerl otzünd Freytag, die sich lesen wie Original-
dichtungen. Kürzungen aus pädagogischen Gründen haben die Schulausgaben Vvn
Legerlotz und Engelmann erfahren. Aber das ist so geschickt geschehen, daß man sich
nicht am hciligen Geist der Dichtung versündigt, wenn man sie sür die Jugend em-
pfichlt. Aehnliche Zusammensasjungen in poetischer Form bieten Legerlotz und Lcon-
hard Schmidt sür das Gudrunlied. Trcffiiche Prosabearbeitungen unserer gesamten
Heldensage sind vorhanden in den „großen Heldensagcn des deutschen Volkes" von
Schalk und „Jduna" vvn Kcck. Das Problem, die griechischen großen Epen so
nachzuerzählen, daß man in etwas dem unsterblichen Altvater der Dichlung gerecht
wird, ist wohl noch immer nichl ganz gelöst; am erträglichsten und pädagogisch ein-
wandfreiesten scheint uns die Bearbeitung von Ferdinand Schmidt zu sein. Für
ein srüheres Aller bleiben immer noch die „Griechischen Heroengeschichten", die cmst
B. Niebuhr seinem Söhnchen auf den Trümmern des ?c>ruin R.oinairriiri erzählte, eine
köslliche Gabe. Für größere Jungen kommen fllr all diese Sachen die verschicdencn
Bearbeitungen von Klee in Betracht. Wenn wir von den modischen Ausfrisiernngcn
unserer alten Sagen durch unsere Butzenscheibenlyriker ausdrücklich warnen, so ge-
schieht's, weil wir neulich in cineiu jvnst rcchi versiändigen Aufsatze der „Dcntschin
Welt" allen Ernstes Julius Wvlff für die Jugend empfohlen sahen.
Es giebt eine Reihe von Bllchern, die einst, wie das Märchen und die Sage,
als unmittelbarer Ausdruck des Empfindens ihrer Zeit enlstanden, jetzt aber von dem
fortschreitenden Kulturbewußtsein gleichsanr einige Entwicklnngsstufen zurück, d. h. sür
den ohne geschichiliche Reflexion Ilrteilenden in die Sphäre des Kindes gestellt tvorden
sind und nun allgemcin als klassische Jugendschriften angesehen werden. Wir denken
da an Robinson Crusoe, von dem uns als die leidlichste Bearbeitung die von
Gräbner erscheint. Will man das Kind geradenwegs in die Jdcenwelt des Rousseau-
Zeitalters einjühren, so gebe man ihm getrost die bei Reclam erschienene Uebersetzung
des Defoeschen Originals in die Hand. Das ist wohl bei Coopers Lederstrumpf-
Erzählungen um des Wustes von Reflexionen willen, die darin veistochten sind, aus-
geschlossen. Wir empfehlen die Höckersche Bearbeitung. Jn gewisser Beziehung gehört
zu diescr gleichsam knllurgcschichtlichen Giuppe von dichterischen Iugendschristen dns
„Schatzkästlein" des alten Hcbcl.
Und damit wäre denn die Reihe derjenigen Dichtungen erschöpst, die nicht für
die Jugend geschrieben sind, aber um ihrcs Slosfes willen doch als Jugendschiiften
gelten dürsen. Wollte man in dem Rahmen des landläufigen Begriffes der letztcren
bleiben, könnte man in Bausch und Bogen nur noch alle Backfischgeschichten oder
historischen und exotischen Jugendromane empfehlen, die nicht schon den Stempel der
Massenherstellung an der Slirn tragen. Denn vor einer anfrichtigen literarischcn
Kunstwart
-54
aus dieser Fülle die Saminlung der Briider Griinm. Sie ist fein illustrieit van
P. Meyerheim und launig von Heiinann Vvgcl. Für ein späteres Alter reihen sich
ihnen die „Kunsimärcdcn" an, die aber anch schvn längst unserer lebendigen National-
Lileratur cingefügt sind. Bon Andersen nenncn wir die von Werlhcr und Lobe-
danz besorgten Sammliingeu, sowie die bei Hendcl erschienene billige Gcsamlausgabe.
Jn demselden Verlage sind auch Hauffs sämtliche Märchen erschiencn. Wenn sie
auch nicht dic klassische Naiviiät unserer Volksinäichen oder die feinc Zuschleifuiig der
Audeisenschcn zeigen, so stammeii sie doch trvtz ihrcr vielcn Wunder nicht niinder ans
dem Lande Poesie, was man von den landläufigen Sammelsurien nichl durchweg be-
hauplerr darf. Tas Herzblut eincs Dichters pulst auch in Leanders „Träumercien
an franzvsischkn Kaminen"; sie regeu nicht auf, aber sie erquicken Phantasie un d
Gemüt. Empfohlen werden mag hier auch noch das tresfliche Buch von Vvgel,
„Frau Mäie".
Zu den Vermächlnissen aus unseres Vvlkes Jugend für seine Jugend in allen
Zeiten gehört ncben dcm Märchcn die Sage, und nalürlich in erstcr Reihe unser
großes Nationalepos Es ist eine ästhelisch und pädagogisch sehr ernst zu nehmende
Frage, in welcher Gestalt man dem Kinde zuerst das Nibelungen- und Gudrun-
lied darbieten will. Wer ihm den in jedem Gewande zwingeiiden Stoss des ersleren
in einer Zeit nicht mehr vorenthalten mag, wo es sür die poetische Fvrm noch nicht
reif ist, der sei hingewiesen aus die Bearbeilungen von A. Richter und H. Möbius.
Das vollständige Epos zur Privatlektüre zu üderlassen, wird wohl nur im reiferen
Alter angängig sem. Wenn hier die bekaiinlen Ilebersetzungen von Simrock oder
Bartsch durch den elwas ungelenken Rhythmus den Genuß wesentlich beeintiächtigtcn,
wie jeder aus eigener Erfahrung destäligen wird, so ist die Sctiwierigkeit gcboben in
den vollständigen Ausgaben von Legerl otzünd Freytag, die sich lesen wie Original-
dichtungen. Kürzungen aus pädagogischen Gründen haben die Schulausgaben Vvn
Legerlotz und Engelmann erfahren. Aber das ist so geschickt geschehen, daß man sich
nicht am hciligen Geist der Dichtung versündigt, wenn man sie sür die Jugend em-
pfichlt. Aehnliche Zusammensasjungen in poetischer Form bieten Legerlotz und Lcon-
hard Schmidt sür das Gudrunlied. Trcffiiche Prosabearbeitungen unserer gesamten
Heldensage sind vorhanden in den „großen Heldensagcn des deutschen Volkes" von
Schalk und „Jduna" vvn Kcck. Das Problem, die griechischen großen Epen so
nachzuerzählen, daß man in etwas dem unsterblichen Altvater der Dichlung gerecht
wird, ist wohl noch immer nichl ganz gelöst; am erträglichsten und pädagogisch ein-
wandfreiesten scheint uns die Bearbeitung von Ferdinand Schmidt zu sein. Für
ein srüheres Aller bleiben immer noch die „Griechischen Heroengeschichten", die cmst
B. Niebuhr seinem Söhnchen auf den Trümmern des ?c>ruin R.oinairriiri erzählte, eine
köslliche Gabe. Für größere Jungen kommen fllr all diese Sachen die verschicdencn
Bearbeitungen von Klee in Betracht. Wenn wir von den modischen Ausfrisiernngcn
unserer alten Sagen durch unsere Butzenscheibenlyriker ausdrücklich warnen, so ge-
schieht's, weil wir neulich in cineiu jvnst rcchi versiändigen Aufsatze der „Dcntschin
Welt" allen Ernstes Julius Wvlff für die Jugend empfohlen sahen.
Es giebt eine Reihe von Bllchern, die einst, wie das Märchen und die Sage,
als unmittelbarer Ausdruck des Empfindens ihrer Zeit enlstanden, jetzt aber von dem
fortschreitenden Kulturbewußtsein gleichsanr einige Entwicklnngsstufen zurück, d. h. sür
den ohne geschichiliche Reflexion Ilrteilenden in die Sphäre des Kindes gestellt tvorden
sind und nun allgemcin als klassische Jugendschriften angesehen werden. Wir denken
da an Robinson Crusoe, von dem uns als die leidlichste Bearbeitung die von
Gräbner erscheint. Will man das Kind geradenwegs in die Jdcenwelt des Rousseau-
Zeitalters einjühren, so gebe man ihm getrost die bei Reclam erschienene Uebersetzung
des Defoeschen Originals in die Hand. Das ist wohl bei Coopers Lederstrumpf-
Erzählungen um des Wustes von Reflexionen willen, die darin veistochten sind, aus-
geschlossen. Wir empfehlen die Höckersche Bearbeitung. Jn gewisser Beziehung gehört
zu diescr gleichsam knllurgcschichtlichen Giuppe von dichterischen Iugendschristen dns
„Schatzkästlein" des alten Hcbcl.
Und damit wäre denn die Reihe derjenigen Dichtungen erschöpst, die nicht für
die Jugend geschrieben sind, aber um ihrcs Slosfes willen doch als Jugendschiiften
gelten dürsen. Wollte man in dem Rahmen des landläufigen Begriffes der letztcren
bleiben, könnte man in Bausch und Bogen nur noch alle Backfischgeschichten oder
historischen und exotischen Jugendromane empfehlen, die nicht schon den Stempel der
Massenherstellung an der Slirn tragen. Denn vor einer anfrichtigen literarischcn
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