rneder, gebärt ein Kind in Not und Elend, verliert es durch eigene Schuld,
wird in Reue und freiwilliger Entsagung erlöst und stirbt. So erfüllt die
Geistin, nachdem fie Mensch geworden, das Los des leidenden Weibes und sie
wird dadurch zur „Mutter Maria". Beteiligt ist an diesen Vorgängen außer
dem Tod, der mit der Frau um das Kind ringt und sie schließlich durch seiuen
Kuß vom Leben erlöst, noch ein uralter Einsiedler: der lüßt ab von seinem
Vorsatz, einen Felsen zu einem Muttergottesbild umzumeißeln, um das lebendige
Geschöpf, die Elbin, zu einem Ebenbild der Himmelskönigin formen zu helfen-
Dem Jnhalt nach also ein symbolisches Gedicht, wie sie uns jetzt zu Dutzendcn
erstehn. Jch hab's als ein recht läppisches Geschichtlein bezeichnet, weil das
Gefühl, das die Handlung belebt, im Grunde nicht übers Allertrivialste hinaus-
kommt, während die Verfasserin die Dinge mit gewaltigem Pathos und „Tief-
sinn" ausstaffiert, auf daß sie uns von der Bedeutung und Originalität ihres
Talents überzeuge. Oder ist's nicht rührselige Trivialität im schönsten Familien-
blattsinne, wenn die Geistin dem Entzücken und dem Schmerz über ihr Kind
in Ausdrücken Luft macht wie: „du Hoffnungsmein", „du holdes Hilflos",
„mein armes, kleines Glück", „verklärtes Abbild meines Seins", „du Schlummer-
sein" u. s. w.? Brauch ich's da noch auszuführen, daß uns eine solche literarisch
verbildete Geisterdame nie eine hohe Rührung wird abgewinnen können, und
daß es wirklich lächerlich wirken muß, wenn die Autorin sie in ihrcm senti-
mentalen Leid der Gottesmutter, „der mächtig Müchtigsten, der Mutterfrau",
gleichstellen will? Was können wir ferner von einem als Bettelmönch ver-
kappten Genius des Todes erwarten, der seinen Dämonenhohn in die Päda-
gogenworte kleidet: „Nicht heftig, schönes Kind. Nur immer sacht", und andrer-
seits gefühlsame Strophen über der Elfe „kleine, weiße Hand" deklamiert, die
den erschlug, der sie „übermannt"? Oder von einem „tiefsinnigen" Einsiedler,
der darauf hinweist, daß „wir" alle nur „Zeichen" wären, gleichsam „Holz-
perlchen" zu einem „Rosenkranz um Gottes Hand geschlungen", nur sähe Er mehr
darin und lasse „den Faden nicht von Kinderhand zerreißen, daß wir hernieder-
sallen undzerbrechen". Die schrecklichsten G enialitätsgrimassen bokommen
wir jcdoch zu sehn, wenn Frau Bernstein den Bergjäger auftreten läßt, einen
schauerlich-grandiosen Kerl, „dreikräftig, lebensgrimmig", der nur Verachtung
für die „Kirchhofskrüppel" übrig hat, „die morden nicht und die nicht zeugen
können l", der „ins Berggeheimnis wildern" geht, d. h. die Bergschwestcr am
Gipfel droben aufspüren will, um sic mit seinen Küssen zu „übergluten, wie
mit dem Himmelsblut der Morgenröte" und „in ihres Leibes weißen Stein
Erdkraft und Herrlichkeit des Lebens" „einzusenken". Nein, diescs „Toten-
gedicht" bringt uns nur ein Erfreuliches: es gewährt einem jeden, der in
solchen Dingen überhaupt sehen kann, die klare Einsicht, daß die gepriesene
Verfasserin der „Königskinder" alles andere eher als eine Dichterin ist. Oder
hält's jemand für mvglich, daß ein Dichter, von dem man doch zu allererst
Anschauungsvermögen verlangt, den Einfall haben könne, die gesamte Tierwelt
zum Zeicheu der Bejahung nicken zu lassen und zum Schluß gar das Bild
einer nickenden Murmelratte und eines nickenden Wurms heraufzubeschwören?
Frau Bernstein thut's. „Frag' Nab und Kräh und flinke Murmelratten", sagt
sie: „das schöne Wiesel und dcn stummen Wurm, sie nicken's alle dir". Wer
noch nicht überzeugt ist, dem kann ich anführen, daß sie unter andcrm den
Menschen in seinem unbefriedigten Begehren eine „gespaltne Kreatur" tituliert,
und daß sie die gipfelumtanzenden Bergschwestern: „was auf und ab im ewigen
Zauber kreist", „verlornen Gottesthränen" vergleicht, „Gottesthränen, mond-
Runstwart
wird in Reue und freiwilliger Entsagung erlöst und stirbt. So erfüllt die
Geistin, nachdem fie Mensch geworden, das Los des leidenden Weibes und sie
wird dadurch zur „Mutter Maria". Beteiligt ist an diesen Vorgängen außer
dem Tod, der mit der Frau um das Kind ringt und sie schließlich durch seiuen
Kuß vom Leben erlöst, noch ein uralter Einsiedler: der lüßt ab von seinem
Vorsatz, einen Felsen zu einem Muttergottesbild umzumeißeln, um das lebendige
Geschöpf, die Elbin, zu einem Ebenbild der Himmelskönigin formen zu helfen-
Dem Jnhalt nach also ein symbolisches Gedicht, wie sie uns jetzt zu Dutzendcn
erstehn. Jch hab's als ein recht läppisches Geschichtlein bezeichnet, weil das
Gefühl, das die Handlung belebt, im Grunde nicht übers Allertrivialste hinaus-
kommt, während die Verfasserin die Dinge mit gewaltigem Pathos und „Tief-
sinn" ausstaffiert, auf daß sie uns von der Bedeutung und Originalität ihres
Talents überzeuge. Oder ist's nicht rührselige Trivialität im schönsten Familien-
blattsinne, wenn die Geistin dem Entzücken und dem Schmerz über ihr Kind
in Ausdrücken Luft macht wie: „du Hoffnungsmein", „du holdes Hilflos",
„mein armes, kleines Glück", „verklärtes Abbild meines Seins", „du Schlummer-
sein" u. s. w.? Brauch ich's da noch auszuführen, daß uns eine solche literarisch
verbildete Geisterdame nie eine hohe Rührung wird abgewinnen können, und
daß es wirklich lächerlich wirken muß, wenn die Autorin sie in ihrcm senti-
mentalen Leid der Gottesmutter, „der mächtig Müchtigsten, der Mutterfrau",
gleichstellen will? Was können wir ferner von einem als Bettelmönch ver-
kappten Genius des Todes erwarten, der seinen Dämonenhohn in die Päda-
gogenworte kleidet: „Nicht heftig, schönes Kind. Nur immer sacht", und andrer-
seits gefühlsame Strophen über der Elfe „kleine, weiße Hand" deklamiert, die
den erschlug, der sie „übermannt"? Oder von einem „tiefsinnigen" Einsiedler,
der darauf hinweist, daß „wir" alle nur „Zeichen" wären, gleichsam „Holz-
perlchen" zu einem „Rosenkranz um Gottes Hand geschlungen", nur sähe Er mehr
darin und lasse „den Faden nicht von Kinderhand zerreißen, daß wir hernieder-
sallen undzerbrechen". Die schrecklichsten G enialitätsgrimassen bokommen
wir jcdoch zu sehn, wenn Frau Bernstein den Bergjäger auftreten läßt, einen
schauerlich-grandiosen Kerl, „dreikräftig, lebensgrimmig", der nur Verachtung
für die „Kirchhofskrüppel" übrig hat, „die morden nicht und die nicht zeugen
können l", der „ins Berggeheimnis wildern" geht, d. h. die Bergschwestcr am
Gipfel droben aufspüren will, um sic mit seinen Küssen zu „übergluten, wie
mit dem Himmelsblut der Morgenröte" und „in ihres Leibes weißen Stein
Erdkraft und Herrlichkeit des Lebens" „einzusenken". Nein, diescs „Toten-
gedicht" bringt uns nur ein Erfreuliches: es gewährt einem jeden, der in
solchen Dingen überhaupt sehen kann, die klare Einsicht, daß die gepriesene
Verfasserin der „Königskinder" alles andere eher als eine Dichterin ist. Oder
hält's jemand für mvglich, daß ein Dichter, von dem man doch zu allererst
Anschauungsvermögen verlangt, den Einfall haben könne, die gesamte Tierwelt
zum Zeicheu der Bejahung nicken zu lassen und zum Schluß gar das Bild
einer nickenden Murmelratte und eines nickenden Wurms heraufzubeschwören?
Frau Bernstein thut's. „Frag' Nab und Kräh und flinke Murmelratten", sagt
sie: „das schöne Wiesel und dcn stummen Wurm, sie nicken's alle dir". Wer
noch nicht überzeugt ist, dem kann ich anführen, daß sie unter andcrm den
Menschen in seinem unbefriedigten Begehren eine „gespaltne Kreatur" tituliert,
und daß sie die gipfelumtanzenden Bergschwestern: „was auf und ab im ewigen
Zauber kreist", „verlornen Gottesthränen" vergleicht, „Gottesthränen, mond-
Runstwart