Böcklin suchte zu meiner Zeit nicht mehr viel in der Natur herum.
Er spazierte nicht gar zu weit herum in Zürich, aber in der Nähe
seines Ateliers in den Bachtobeln, die vom Zürich- und Adlisberg
herabkommen, habe ich oft Motive erkannt, in seinen Bildern, die
mittelbar durch seinen Geist hindurch Gestalt angenommen haben, auf
dem Heimgekehrten und anderswo. Einmal, als er im Winter mit
Gottfried Keller vom Uetlibepg herunter das Nebelmeer gesehen, entstund
bald darauf die „Freiheit", auf dem Fels sitzend, mit dem Adler auf
dem Arm, wo unten das Nebelmeer sich ausbreitet, aus dem die Alpen-
kette herausragt. Jch hatte damals beim Arbeiten ein langes leinenes
Ueberhemd an, das sich stark bewegte, wenn ich lief, und sah oft, wie
der Professor das stets beobachtete. Für Kleiderfalten erlaubte er es,
datz man sich mit allerlei eine Art Figur zusammenstellte, um die man
Tücher faltig werfen konnte. Er hatte darin eine erstaunliche Fertigkeit,
um schöne Faltenwürfe herauszubringen. — Ueber seine Flugprojekte hat
er nie mit mir gesprochen, nur sah ich öfters, wie ihn der Flug der
Vögel, z. B. der Raben sehr beschäftigte, er sprach auch davon, und
sein Sohn Hans brachte einmal von zu Haus einen Haufen Bambus-
stäbe daher, sagte auch, er habe davon noch viel daheim. Wir bcnutztcn
sie als Malstäbe, sie schienen aber eigentlich für einen höheren Zwcck
bestimmt gewesen zu sein. Oft nahm Hans in Abwcsenheit des Vaters
ein grohes zusammengerolltes Bild von einem Kasten hernntcr, eine
andere Wiederholung der Poesie und Malerei, die sein Vater im Groll
mit den Fützen zerstampft und weggeworfen, er aber nachher gerettet
hatte. Es war ein sehr schönes Bild. Die beiden Gestalten, aber unter
einem kleinen Tempelgehäuse, nicht im Freien. Vieles, wie der Brunnen
und die Landschaft hinten schon ganz wunderschön gemalt. Hans rettetc
Alles, was er konnte. Böcklin malte viel mit grüner Erde und Weih
auf dunkles Papier. Denn wie das Bild in Hell und Dunkel steht,
war ihm das Wichtigste, nicht die Farbe. Diese Skizzen sammelte sein
Sohn stets.
Nach zwei Jahren empfand ich die Sehnsucht sehr stark wieder,
ohne die Einrede irgend eines und selbst dieses grohen Gcistes einmal
aus mir heraus etwas zu unternehmen und auch zu Ende zu bringen,
denn die ganze Zeit über hatte ich bloh eine kleine Landschaft und einen
Karton ohne des Meisters Eingreifen zeitig genug bei Seite schaffen
können. Nicht dah ich daraus meinem verehrten Meister auch nur dcn
leisesten Vorwurf machen wollte, im Gcgenteil, ich kenne keine Grenze
des Dankes für ihn: denn ich hätte auf der ganzen Welt vergeblich einen
zweiten solchen Meister suchen können, und was einem Autodidakten ver-
loren geht, Unwiederbringliches, das kenne ich vom Radieren hcr. Jch
zog mich also ums Neujahr s89l herum wieder in mein Stübchcn
zurück und lernte wieder langsam auf den eigenen Beinen stehen, wobei
ich oft die merkwürdigsten Purzelbäume machte. Meinc Besuche beim
Meister wurden wieder selten, denn ich stellte mir immer vor, ich störe ihn an
der Arbeit. Dann kamen die Schlaganfällc und die Uebersiedelung nach
Jtalien. Auf der Hochzeitsreise sah ich meinen Meister wieder in Florcnz,
freilich etwas gelähmt in der Sprache und im Schritt, aber noch crnstcr
und großartiger als früher und geistig frisch. Die Ehegatten luden uns
zum Abendessen und nachher in ein Theatcr, wo das volkstümliche
Kunsiwart
Er spazierte nicht gar zu weit herum in Zürich, aber in der Nähe
seines Ateliers in den Bachtobeln, die vom Zürich- und Adlisberg
herabkommen, habe ich oft Motive erkannt, in seinen Bildern, die
mittelbar durch seinen Geist hindurch Gestalt angenommen haben, auf
dem Heimgekehrten und anderswo. Einmal, als er im Winter mit
Gottfried Keller vom Uetlibepg herunter das Nebelmeer gesehen, entstund
bald darauf die „Freiheit", auf dem Fels sitzend, mit dem Adler auf
dem Arm, wo unten das Nebelmeer sich ausbreitet, aus dem die Alpen-
kette herausragt. Jch hatte damals beim Arbeiten ein langes leinenes
Ueberhemd an, das sich stark bewegte, wenn ich lief, und sah oft, wie
der Professor das stets beobachtete. Für Kleiderfalten erlaubte er es,
datz man sich mit allerlei eine Art Figur zusammenstellte, um die man
Tücher faltig werfen konnte. Er hatte darin eine erstaunliche Fertigkeit,
um schöne Faltenwürfe herauszubringen. — Ueber seine Flugprojekte hat
er nie mit mir gesprochen, nur sah ich öfters, wie ihn der Flug der
Vögel, z. B. der Raben sehr beschäftigte, er sprach auch davon, und
sein Sohn Hans brachte einmal von zu Haus einen Haufen Bambus-
stäbe daher, sagte auch, er habe davon noch viel daheim. Wir bcnutztcn
sie als Malstäbe, sie schienen aber eigentlich für einen höheren Zwcck
bestimmt gewesen zu sein. Oft nahm Hans in Abwcsenheit des Vaters
ein grohes zusammengerolltes Bild von einem Kasten hernntcr, eine
andere Wiederholung der Poesie und Malerei, die sein Vater im Groll
mit den Fützen zerstampft und weggeworfen, er aber nachher gerettet
hatte. Es war ein sehr schönes Bild. Die beiden Gestalten, aber unter
einem kleinen Tempelgehäuse, nicht im Freien. Vieles, wie der Brunnen
und die Landschaft hinten schon ganz wunderschön gemalt. Hans rettetc
Alles, was er konnte. Böcklin malte viel mit grüner Erde und Weih
auf dunkles Papier. Denn wie das Bild in Hell und Dunkel steht,
war ihm das Wichtigste, nicht die Farbe. Diese Skizzen sammelte sein
Sohn stets.
Nach zwei Jahren empfand ich die Sehnsucht sehr stark wieder,
ohne die Einrede irgend eines und selbst dieses grohen Gcistes einmal
aus mir heraus etwas zu unternehmen und auch zu Ende zu bringen,
denn die ganze Zeit über hatte ich bloh eine kleine Landschaft und einen
Karton ohne des Meisters Eingreifen zeitig genug bei Seite schaffen
können. Nicht dah ich daraus meinem verehrten Meister auch nur dcn
leisesten Vorwurf machen wollte, im Gcgenteil, ich kenne keine Grenze
des Dankes für ihn: denn ich hätte auf der ganzen Welt vergeblich einen
zweiten solchen Meister suchen können, und was einem Autodidakten ver-
loren geht, Unwiederbringliches, das kenne ich vom Radieren hcr. Jch
zog mich also ums Neujahr s89l herum wieder in mein Stübchcn
zurück und lernte wieder langsam auf den eigenen Beinen stehen, wobei
ich oft die merkwürdigsten Purzelbäume machte. Meinc Besuche beim
Meister wurden wieder selten, denn ich stellte mir immer vor, ich störe ihn an
der Arbeit. Dann kamen die Schlaganfällc und die Uebersiedelung nach
Jtalien. Auf der Hochzeitsreise sah ich meinen Meister wieder in Florcnz,
freilich etwas gelähmt in der Sprache und im Schritt, aber noch crnstcr
und großartiger als früher und geistig frisch. Die Ehegatten luden uns
zum Abendessen und nachher in ein Theatcr, wo das volkstümliche
Kunsiwart