es nicht nötig ist, den Gedankengang immer wieder von neuem zu er-
örtern. Unsere Abbildungen werden auch hier besser reden, als Worte.
Nicht weit von einander liegen zwei eiserne Brücken. (Abb. 30
und 3(.) Von diesen selbst und dem Stil des Eisens sei ein ander-
mal die Rede. Zunächst wolle man die beiden Zolleinnahmehäuschen
betrachten, die am Brückenkopf liegen. Beide ruhen auf festem
gemauerten Hochwasserunterbau, beide haben ziemlich gleiche Größe,
beide dienen demselben Zwecke. Aber ihre „Seele" ist eine grund-
verschiedene. Das eine sieht aus wie ein freundlicher alter Bauer und
das andere wie ein aufgeputzter Parvenu. Natürlich ist dieses das neue
und jenes das alte. Der Wesensunterschied zwischen den beiden Häusern
springt so in die Augen, daß man auch hier wieder sofort die Frage
stellt: wie kam es nur, daß die früheren Zeiten in all ihren sichtbar
gewordenen Thaten so sehr viel mehr Ehrlichkeit und Noblesse zeigten?
Jst sie unserer Zeit wirklich als Gemeingut so ganz abhanden gekommen?
Oder liegt die Schuld nicht anderswo?
Hier bei unseren Brückenhäuschen paßt das beliebte Wort von der
Billigkeit nun schon gar nicht. Dem neuen helftn alle seine Sandstein-
gesimse, seine geschnitzten Giebelbalken, gedrehten Spitzchen und sauber
gedeckten Schiefer nichts. Das alte ist auf ganz einfachem Bruchstein-
sockel aufgesetzt, ist nur geputzt, hat schlichte Ziegeldeckung und nicht
ein einziges kleines Ornamentlein. Aber es thut seinen Dienst genau
so gut, wie das neue, und es thut sogar noch mehr: es schaut einen
Jeden, der sich dem Flusse nähert, aufs freundlichste an, es breitet das
Gefühl von Ruhe und Gelassenheit aus, und der Ort, an dem es steht,
verknüpft sich mit unserm Gefühlsleben enger und fester. Wir wissen
vielleicht selbst nicht, daß es der Zauber eines so einfachen Hauses ist,
dem wir da unterliegen, wir können uns die Gründe nicht angeben,
warum und wieso dem so sei. Aber die Erfahrung steht fest, und wir
können sie täglich bestätigt hören von unzähligen Leuten, die uns mit-
teilen, wie die und jene Städte, Dörfer, Orte ihnen traut geworden
sind, ihnen leise, seltsame Glücksgefühle geben, ohne daß sie versucht
haben, zu erfahren, woraus sie diese Gefühle schöpfen. Aus einem
kalten aufgeputzten Kasten wie auf Abb. 3( strömen keine erwärmenden
Gefühle in unsmber. Man erfröstelt, wenn man ihn sieht, zahlt sein
Brückengeld und eilt vorüber.
Unsre Bilder Nr. 52 und 33 zeigen zwei Gebäude, die gleichfalls
technischen Zwccken dienen. Nicht denselben, aber das ist ja in diesem
Falle sür das Prinzipielle, um das sich's hier handelt, gleichgültig.
Und wieder zeigt sich das entsprechende Bild!
Wir haben uns daran gewöhnt, daß technische Bauten kalt, lang-
weilig und gleichgültig aussehen müssen: wenn jemand die Forderung
aufstellt, auch Wagenschuppen, Straßenübergänge, Bahnwärterhäuser und
Fabriken sollten unsern Augen erzählen, das Leben, das sie leben, sei
ein überhaupt lebenswertes, — so fragen wir ganz erstaunt: ja, kann
man das denn?
Daß man es kann, davon erzählen die alten Bauten bis gegen
die Mitte unsres Jahrhunderts hin. Und es ist beim besten Willen nicht
möglich einzusehen, warum der sinnfällig gewordene Ausdruck der Eisen-
Aunstwart
örtern. Unsere Abbildungen werden auch hier besser reden, als Worte.
Nicht weit von einander liegen zwei eiserne Brücken. (Abb. 30
und 3(.) Von diesen selbst und dem Stil des Eisens sei ein ander-
mal die Rede. Zunächst wolle man die beiden Zolleinnahmehäuschen
betrachten, die am Brückenkopf liegen. Beide ruhen auf festem
gemauerten Hochwasserunterbau, beide haben ziemlich gleiche Größe,
beide dienen demselben Zwecke. Aber ihre „Seele" ist eine grund-
verschiedene. Das eine sieht aus wie ein freundlicher alter Bauer und
das andere wie ein aufgeputzter Parvenu. Natürlich ist dieses das neue
und jenes das alte. Der Wesensunterschied zwischen den beiden Häusern
springt so in die Augen, daß man auch hier wieder sofort die Frage
stellt: wie kam es nur, daß die früheren Zeiten in all ihren sichtbar
gewordenen Thaten so sehr viel mehr Ehrlichkeit und Noblesse zeigten?
Jst sie unserer Zeit wirklich als Gemeingut so ganz abhanden gekommen?
Oder liegt die Schuld nicht anderswo?
Hier bei unseren Brückenhäuschen paßt das beliebte Wort von der
Billigkeit nun schon gar nicht. Dem neuen helftn alle seine Sandstein-
gesimse, seine geschnitzten Giebelbalken, gedrehten Spitzchen und sauber
gedeckten Schiefer nichts. Das alte ist auf ganz einfachem Bruchstein-
sockel aufgesetzt, ist nur geputzt, hat schlichte Ziegeldeckung und nicht
ein einziges kleines Ornamentlein. Aber es thut seinen Dienst genau
so gut, wie das neue, und es thut sogar noch mehr: es schaut einen
Jeden, der sich dem Flusse nähert, aufs freundlichste an, es breitet das
Gefühl von Ruhe und Gelassenheit aus, und der Ort, an dem es steht,
verknüpft sich mit unserm Gefühlsleben enger und fester. Wir wissen
vielleicht selbst nicht, daß es der Zauber eines so einfachen Hauses ist,
dem wir da unterliegen, wir können uns die Gründe nicht angeben,
warum und wieso dem so sei. Aber die Erfahrung steht fest, und wir
können sie täglich bestätigt hören von unzähligen Leuten, die uns mit-
teilen, wie die und jene Städte, Dörfer, Orte ihnen traut geworden
sind, ihnen leise, seltsame Glücksgefühle geben, ohne daß sie versucht
haben, zu erfahren, woraus sie diese Gefühle schöpfen. Aus einem
kalten aufgeputzten Kasten wie auf Abb. 3( strömen keine erwärmenden
Gefühle in unsmber. Man erfröstelt, wenn man ihn sieht, zahlt sein
Brückengeld und eilt vorüber.
Unsre Bilder Nr. 52 und 33 zeigen zwei Gebäude, die gleichfalls
technischen Zwccken dienen. Nicht denselben, aber das ist ja in diesem
Falle sür das Prinzipielle, um das sich's hier handelt, gleichgültig.
Und wieder zeigt sich das entsprechende Bild!
Wir haben uns daran gewöhnt, daß technische Bauten kalt, lang-
weilig und gleichgültig aussehen müssen: wenn jemand die Forderung
aufstellt, auch Wagenschuppen, Straßenübergänge, Bahnwärterhäuser und
Fabriken sollten unsern Augen erzählen, das Leben, das sie leben, sei
ein überhaupt lebenswertes, — so fragen wir ganz erstaunt: ja, kann
man das denn?
Daß man es kann, davon erzählen die alten Bauten bis gegen
die Mitte unsres Jahrhunderts hin. Und es ist beim besten Willen nicht
möglich einzusehen, warum der sinnfällig gewordene Ausdruck der Eisen-
Aunstwart