eine bestimmte Anzahl von Kenntnissen bunt durcheinandergewürfelt einzu-
trichtern-
Zunächst eine gewisse Kenntnis der alten Sprachew, die schließlich in
den meisten Fällen, ich nehme einige Gymnasien aus, darin gipfelt, daß man
mit Mühe und Not einen Satz aus dem Griechischen oder Lateinischen in ein
undeutsches Deutsch übersetzen kann. Auf das Wörtliche und auf das Schrift-
mäßige kommt es den Herren ja meistens an — ein freieres Deutsch wird als
falsche oder mangelhafte Uebertragung gerügt und hat eine schlechte Note zur
Folge. Der Vorteil, den also die alten Sprachen der Schulung des Geistes,
der Weckung des Sprachgefühls u. s. w. gewähren sollen, wird bei uns recht er-
heblich dadurch gemindert, daß ihr Erlernen mit dem Verlernen der eigenen
Muttersprache oder mindestens mit einer Schädigung in deren gutem Gebrauche
Hand in Hand gcht. Man sehe doch einmal zu, wie viele selbst von unseren
bekannteren Schriftstellern einen klaren Stil schreiben, man beobachte, wie die
meisten Menschen im Gespräche sich winden und krümmen, um ihrem Gedanken-
gange Ausdruck zu geben, man beachte, welchen schiefen Bildern, welchen
falschen Bezeichnungen, welcher unlogischen Wortfolge, welchen geschraubten,
phrasenhaften Wendungen, welchen verstümmelten Satzbildungen man auf
Schritt und Tritt begegnet. Die Sprache scheint hier nur eine erworbene FLlle
toten Materials, sie ist nicht als Ausdruck des innern Lebens mit Gefühlen
unmittelbar verbunden. Und jenes tote Material beherrschen sie nicht einmal,
es fehlt ihncn auch die Fingerfertigkeit, auf diesem Jnstrumente zu spielen.
Haben sie sich aber als Entgelt für diese Schädigung im Beherrschen der Mutter-
sprache wenigstens eine desto größere Gewandtheit in den alten Sprachen an-
geeignet? Gerade das läßt den Mangel an Gründlichkeit unserer jctzigep Schule
im Gegensatz zur früheren am schärfsten hervortreten: daß dies keineswegs der
Fall ist, daß auch hier nur ein zweiselhaftes Halbwissen sich breit macht. Wenn
man sich die linguistische Fertigkeit der Klosterschüler im Mittelalter bis zu den
Schülern der Gpmnasien in der Mitte unseres Jahrhundcrts, wenn man sich
die Gründlichkeit der Lehrmethode in der hohen Schule zu Pforta vergegen-
wärtigt, der z. B. Nietzsche Üie feste Grundlage zu seinen spüteren umfassen-
den, speziell philologischen Kenntnissen verdankt, wenn man liest, wie diese
Zugend sich des Erlernten zu bedienen weiß in sreier Rede, in gebundener
Sprache, selbst in dem spröden Ton kritischer Abhandlungen, so wird auch der
Verehrer des Unterrichts in klassischen Sprachen von seinem eigenen Stand-
punkle aus Verslachung zugeben müssen-
Jch persönlich würde den Rückgang auf diesen Gebieten nicht beklagen,
säh' ich nur besseres an scine Stelle getreten, fänd' ich nur neben dem flacheren
Latein ein um so tieferes Deutsch. Denn wie wichtig die alten und wie wichtig
dio neueren Sprachen sein mögen, von denen wir heute nicht sprechen wollen,
gerade der Eckstein unsres ganzen Unterrichts sollte doch der im Deutschen sein.
Und er ist in schlechthin zu schmählicher Weise zur Nebensache gemacht worden.
Wann wird die einfache Erkenntnis allgemein werden: treib' ich Griechisch und
Latein, um für die Feinheiten der Sprache, also vor allem doch mciner eignen
Sprache, empfänglich zu machen, so heißt das, von Berlin nach München über
Athen reisen? Und was zeigt uns die Methode dieses deutschon Unterrichts?
Von einem Eingehen auf die Entwicklung der Sprache in ihren Stammworten
und Grundformen, auf alle die Elemente, die sie im Laufe der Jahrhunderte
än sich aufgenommen und mit sich verschmolzen hat, auf ihre außerordentlichen
Wandlungen überhaupt ist keine Rede, noch von einem Aufdecken der wunder-
Kunstwart
trichtern-
Zunächst eine gewisse Kenntnis der alten Sprachew, die schließlich in
den meisten Fällen, ich nehme einige Gymnasien aus, darin gipfelt, daß man
mit Mühe und Not einen Satz aus dem Griechischen oder Lateinischen in ein
undeutsches Deutsch übersetzen kann. Auf das Wörtliche und auf das Schrift-
mäßige kommt es den Herren ja meistens an — ein freieres Deutsch wird als
falsche oder mangelhafte Uebertragung gerügt und hat eine schlechte Note zur
Folge. Der Vorteil, den also die alten Sprachen der Schulung des Geistes,
der Weckung des Sprachgefühls u. s. w. gewähren sollen, wird bei uns recht er-
heblich dadurch gemindert, daß ihr Erlernen mit dem Verlernen der eigenen
Muttersprache oder mindestens mit einer Schädigung in deren gutem Gebrauche
Hand in Hand gcht. Man sehe doch einmal zu, wie viele selbst von unseren
bekannteren Schriftstellern einen klaren Stil schreiben, man beobachte, wie die
meisten Menschen im Gespräche sich winden und krümmen, um ihrem Gedanken-
gange Ausdruck zu geben, man beachte, welchen schiefen Bildern, welchen
falschen Bezeichnungen, welcher unlogischen Wortfolge, welchen geschraubten,
phrasenhaften Wendungen, welchen verstümmelten Satzbildungen man auf
Schritt und Tritt begegnet. Die Sprache scheint hier nur eine erworbene FLlle
toten Materials, sie ist nicht als Ausdruck des innern Lebens mit Gefühlen
unmittelbar verbunden. Und jenes tote Material beherrschen sie nicht einmal,
es fehlt ihncn auch die Fingerfertigkeit, auf diesem Jnstrumente zu spielen.
Haben sie sich aber als Entgelt für diese Schädigung im Beherrschen der Mutter-
sprache wenigstens eine desto größere Gewandtheit in den alten Sprachen an-
geeignet? Gerade das läßt den Mangel an Gründlichkeit unserer jctzigep Schule
im Gegensatz zur früheren am schärfsten hervortreten: daß dies keineswegs der
Fall ist, daß auch hier nur ein zweiselhaftes Halbwissen sich breit macht. Wenn
man sich die linguistische Fertigkeit der Klosterschüler im Mittelalter bis zu den
Schülern der Gpmnasien in der Mitte unseres Jahrhundcrts, wenn man sich
die Gründlichkeit der Lehrmethode in der hohen Schule zu Pforta vergegen-
wärtigt, der z. B. Nietzsche Üie feste Grundlage zu seinen spüteren umfassen-
den, speziell philologischen Kenntnissen verdankt, wenn man liest, wie diese
Zugend sich des Erlernten zu bedienen weiß in sreier Rede, in gebundener
Sprache, selbst in dem spröden Ton kritischer Abhandlungen, so wird auch der
Verehrer des Unterrichts in klassischen Sprachen von seinem eigenen Stand-
punkle aus Verslachung zugeben müssen-
Jch persönlich würde den Rückgang auf diesen Gebieten nicht beklagen,
säh' ich nur besseres an scine Stelle getreten, fänd' ich nur neben dem flacheren
Latein ein um so tieferes Deutsch. Denn wie wichtig die alten und wie wichtig
dio neueren Sprachen sein mögen, von denen wir heute nicht sprechen wollen,
gerade der Eckstein unsres ganzen Unterrichts sollte doch der im Deutschen sein.
Und er ist in schlechthin zu schmählicher Weise zur Nebensache gemacht worden.
Wann wird die einfache Erkenntnis allgemein werden: treib' ich Griechisch und
Latein, um für die Feinheiten der Sprache, also vor allem doch mciner eignen
Sprache, empfänglich zu machen, so heißt das, von Berlin nach München über
Athen reisen? Und was zeigt uns die Methode dieses deutschon Unterrichts?
Von einem Eingehen auf die Entwicklung der Sprache in ihren Stammworten
und Grundformen, auf alle die Elemente, die sie im Laufe der Jahrhunderte
än sich aufgenommen und mit sich verschmolzen hat, auf ihre außerordentlichen
Wandlungen überhaupt ist keine Rede, noch von einem Aufdecken der wunder-
Kunstwart