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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 14,1.1900-1901

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1901)
DOI Artikel:
Miles, ...: Intersoziale Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7961#0539

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Intersoziale Kunsl *

Die Frage, wie sollen wir uns zur Sozialdemokratie stellen, be-
schäftigt zur Zeit eine Menge Köpfe. Jeder, der mit dem öffentlichen
Leben etwas zu thun hat, wird fast täglich vor sie gestellt. Nicht bloß
in den Pärlamenten, den Volksversammlungen, den Rathäusern, den
Redaktionen, sie kommt zur Verhandlung laut oder im Geheimen aller
Orten, in der G.roßstadt wie im kleinsten Dorfe. Jn alle Lebensver-
hältnisse dringt sie Antwort heischend ein. Sie ist recht eigentlich die
brennende unseres innerpolitischen Lebens. Und je nachdem sie beantwortet
wird, scheidet sich unser Volk in zwei große Heerlager. Da ist die alte
Schule, nach deren Wunsch es wäre, wenn die Sozialdemokratie ausgerottet
würde mit Stumpf und Stiel, der jedes Mittel recht erscheint einer
Partei gegenüber, die sich angeblich außerhalb des Rechtes gestellt hat.
Niederwerfen des Umsturzes durch Ausnahmegesetze, wenn's sein muß
durch Kanonen, ist die letzte Weisheit dieser Schule. Dann ist eine
andere Gruppe, welche die Sozialdemokratie mit geistigen Mitteln über-
wunden sehen möchte. Sie erkennt der sozialistischen Weltanschauung
einen „berechtigten Kern" zu und hofft entweder auf eine Entwickelung
der Partei aus sich selbst heraus zu positiveren Zielen, oder aber sie
rechnet mit der Möglichkeit, die Anhänger des Sozialismus eines Besseren
zu belehren, sie zu besänftigen, mit einem Worte: sie zu versöhnen.

Wie der Einzelne sich zu der Frage stellt, wird nicht immer leicht
erkannt. Die äußere Zugehörigkeit zu einer unserer großen Parteien ist
nicht unbcdingtes Kriterium in dieser Beziehung. Es gibt zum Beispiel
in den Parteien der Rechten, unter den Beamten, ja selbst im Offiziers-
stande, viel mehr Leute, die der zweiten toleranteren Richtung angehören,
als in Wirklichkeit im öffentlichen Leben zum Ausdruck kommt. Denn
es ist leider für viele Leute schwer, in dieser Frage offen Farbe zu

* Der Verfasscr dieses Aussatzes, der uns infolge einer Bemerkung über
Zeitungsromane in der Rundschau des ersten Februarheftes zuging, ist ein
deutscher Osfizier. Rw.-L.

Kunstwart 2. Märzheft i90l

so?
 
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