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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1902)
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Batka, Richard: Papierne Musik
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [18]: Schulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0030

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lichen, aber durch unfere Verhältnisfe hier immer mehr eingeengten Zu-
fall überlafsen ülieb, mit Bewußtsein anzustreben. Gewiß, daß die
Phantasie des begabten Menschen vieles im Nu erfaßt, was andern erst
durch lange, sorgsame Beschauung kund wird. Gewih, daß beim Schaffen
von Kunstwerken die geftaltende Kraft der Phantasie den Ausschlag gibt.
Aber diese Kraft rann doch erst wirken, wenn sie mit einem immer neu
gespeisten Schatz von Erinnerungsbildern der Erfahrungen von der Wirk-
lichkeit arbeitet. Jn der Poesie, in den bildenden Künsten lernt man
das wenigstens jetzt begreifen, wenngleich auch hier dieser Erkenntnis
in unserm Literaten- und Aesthetentum lange noch nicht ernst genug ent-
sprochen wird. Jn der Tonkunst ist die Naturentfremdung noch größer,
weil auch die Erkenntnis von ihren Gefahren noch meistens fehlt. Eine
Wiedergeburt der Musik aus dem Geiste des Lebens —- das
muß ein großes unserer Ziele sein. Richard Batka.

RnL'tLiiearbeiten.

S ch u l e n.

Es wird nicht möglich sein, immer wieder zu Beginn eines jeden
Jahrganges für neu hinzutretende Leser die Grundsätze zu entwickeln,
nach denen wir in meinen „Kulturarbeiten" die Werke neuer und alter
Kultur vergleichen. Es ist aber auch so viel von diesen Grundsätzen
nun schon in weite Kreise gedrungen, daß solche Wiederholungen jetzt
wohl entbehrlich sind.

Jch versprach schon lange, den Lesern des Kunstwarts auch gute
moderne Bauten zu zeigen. Hier bei dem Thema Schulen kann ich
mit der Einlösung dieses Versprechens beginnen. Alte Lösungen,
gute Schulhäuser zu bauen, wären auch schwer zu finden, weil die
Einrichtung großer, geordneter Schulwesen selbst erst neueren Datums
ist. Wohl ließe sich von Klosterbauten oder ähnlichen Anstalten aus
dem s7. und s8. Jahrhundert Manches bringen, doch besteht in deren
Anlage im Vergleich zu unseren modernen Schulen der eine große
Unterschied, daß jene so gut wie immer Jnternate waren, während
der Typus unserer heutigen Schulen das Externat ist. Jene waren
auf diese Weise immer große Gebäudekomplexe, die in ihrer Anlage einen
Organismus bildeten. Durch die verschiedenen Bestimmungen der ein-
zelnen Häuser, als Schüler- und Lehrerwohnungen, als Lehrsäle, Kapellen,
Kirchen und wieder als Oekonomiegebäude entstand eine so reiche Ab-
wechslung, daß der malerische Aufbau sich fast wie von selbst einzufinden
schien. Wenigstens muß das das Gefühl des Beschauers sein, dem eine
solche Anlage stets wie etwas Gewachsenes, nie wie etwas Erkonstruiertes
vorkommt.

Heute sind beinahe alle Schulen nur noch Anhüufungen von
einzelnen Klassenzimmern, die höchstens durch einige größere Räume, wie
Aula oder Turnsaal, gegliedert werden. Wo man Jnternate angelegt
hat, etwa in unseren Kadetten-Anstalten, da ist man heutzutage in
weitem Bogen der Versuchung aus dem Wege gegangen, aus der Zu-
sammensetzung vieler Häuser Gebüudegruppen zu bilden. Als ob ein
Kind mit Pappschachteln gespielt hütte, so stehen die einzelnen Häuser
ohne Zusammenhang und ohne Vermittlung herum. Die Gestaltungs-

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