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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1903)
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Gregori, Ferdinand: Theorie und Praxis der Bühnenregie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0513

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^keorie unc! praocis cter Vüknenregie.

Noch immer stehen wir vielfach im Zeichen des Wortes; an
Taten gebrichts. Es ergehen Anregnngen auf tausend Nadien des
Kunstzirkels, in verschwenderischer Fülle werden Samen ausgestreut,
und der Widerhall ist nur eine neue Anregung, die Frucht nur
ein neuer Same. Aus dreißig Büchern wird ein einunddreißigstes.

Es ist mir gewiß eine Freude, wenn tüchtige Gedanken zum
Besten unsrer Bühnenkunst auftauchen, wieder und wieder durchgedacht,
von vielen Seiten betrachtet oder auch nur gedüchtnismäßig wiederholt
werden. Daß sich aber die Praxis gar nicht daran kehrt, daß der
theoretisch längst umgebrachte Schlendrian fröhlich weiter tippelt und
vom Publikum dick gesüttert wird, kann einem den Mut beinah rauben.
Der Schauspieler sieht in einem Buche über sein Schasfen eine öde
Schulmeisterei, der er aus dem Wege geht; der zünftige Regisseur
liest wohl ab und zu dergleichen, hält aber immer nur seinen Stand
und seine Kollegen für reformbedürftig, niemals sich selbst; und
der srisch von der Literatur herkommende Bühnenleiter weiß, sobald
er dem lebendigen dickköpsigen Schauspieler aus der Probe gegenüber-
tritt, mit all seiner angelesenen Thesenweisheit nichts Rechtes an-
zufangen.

Das vor kurzem erschienene Buch „Regie" von Karl Hage-
mann wird leider kein anderes Schicksal haben als viele seinesgleichen.
Die Zeitschristen werden sich seiner annehmen — ein Theoretiker des
anderen —, sie werden es verdienstlich nennen und, weil die Leser
gerne vom Theater hören, ein paar nebensächliche Ausführungen des
Verfassers zitieren, die „interessant" erscheinen. Die Sammler werden
es kaufen und ihrer Bücherei als ein neues Zeugnis des in der Bühnen-
kunst „srisch pulsierenden Lebens" einreihen; und ein Paar junge Ger-
manisten werden sich daraus ein Rüstzeug sür ihre zukünftige Theater-
Laufbahn schasfen wollen, das ihnen doch nichts nützt, wenn die
innere Begabung fehlt. Von der Pike auf zu dienen ist für den
Kommandierenden der Bühne die beste Vorbereitung, die gemeine Praxis

Ianuarbeft ^os

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