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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 3 (1. Novemberheft)
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Der Dürerbund
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Grunsky, Karl: Ueber Geselligkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0162

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Lebens bilden seine Arbeitsausschüsse, zu Tausenden schon zählen seine
Mitglieder. Wie rvir zu wirken gedenken, sagt einem jeden das erste
»Dürerblatt«, das von unserem Schatzmeister, dem Verlagsbuchhändler
Georg D. W. Callwey in München, unentgeltlich zu erhalten ist. Wer
beitreten will, sende ebendorthin einen Jahresbeitrag, dessen Höhe er
nach eigenem Meinen bestimmt. Als Mindestbeitrag ist nur eine Mark
sestgesetzt; wir hoffen, daß Männer und Frauen aus jedem Stande,
aus jeder Partei, aus jeder Konsession mit stattlicher Gabe oder be-
scheidenem Scherslein sich zu uns gesellen — Alle gelten im Bunde
gleich als Mitkämpfer sür eine große Sache."

-i-

Das erste „Dürerblatt" wird nächster Tage erscheinen und den
Mitgliedern unmittelbar zugesandt werden. Da es gleichzeitig zur
Agitation für den Bund bestimmt ist, muß es außer der vom Gesamt-
vorstande gebilligten vorläufigen Fassung der Satzungen im wesentlichen
Beiträge enthalten, welche die Leser des Kunstwarts schon kennen. Die
erste Zeitungskorrespondenz und das zweite Dürerblatt soll dann mög-
lichst bald nachfolgen.

Aebsr GebsUigkelt.

Nun sind wir schon eine gute Weile in die Stadt zurückgekehrt
vom Gebirge, vom Walde, vom Meer. Ein leichter Schauder hat wohl
jeden überslogen, wenn während der Heimreise die Bilder der Freiheit
von hier und der drohenden Verpslichtung von dort her sich mit einander
mischten. Uns bangte vor den Besuchen, Einladungen, Festen, Vereins-
sitzungen. Aber hatten wir wirklich einen Zwang, die Jdylle des Sommer-
ausenthaltes als unversöhnlichen Gegensatz zu dem Getriebe und Geschiebe
des Stadtlebens zu empfinden? Jst Rousseaus Verdammung der Zivili-
sation eine auch uns noch zur Nachfolge rusende Tat?

Jch glaube, die Sache steht gegenwärtig ungefähr so: Man gesteht
einander, daß man sich nicht eben gern zwischen vielen Gesichtern be-
wege. Jm gewöhnlichen Leben, ja, da sind wir eher zufrieden. Jm
Kreise der andern aber slößt uns die Beobachtung gewisser Formen
Schrecken ein. Mit der steifen Wäsche, die wir anlegen, sährt dann
die Steifheit in uns selber hinein, und die ledernen Handschuhe machen
uns auch den Kops ledern. Da ist's nicht zu verwundern, daß es einen
Gedankengang gibt, der überall zurzeit breit getreten wird: der Deutsche
sei eben Gemütsmensch und müsse den eigentlich geregelten Verkehr den
sormbegabten Romanen überlassen. Halten wir die Fahne der Etikette-
losigkeit aufrecht! Es ziert den Germanen, unbeholsen zu sein, dem
Nachbar gelegentlich auf den Fuß zu treten und ihm die Luft ins Ge-
sicht zu blasbalgen.

Diese Art der Gemütlichkeit, bei der sich jeder möglichst gehen läßt,
beraubt uns aber all der edlen und seinen Genüsse jener Geselligkeit,
in der einer dem andern „Gesell" ist, nicht wie der Vär oder der Wurm
oder Mime bei Siegsried. Unsre Unsicherheit im Verkehr ist es, die das
Grauen vor geselligen Vereinigungen verschuldet. Und weil wir lügen,
wenn wir höflich sind, halten wir die Höflichkeit an und für sich, und
die unsrer Nachbarn insbesondere für den trübenden Nebel eines herzlich

Runsiwart
 
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