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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 12 (2. Märzheft 1903)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0838

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Auf allen Aesten hocken sie dicht,

Lispeln und wispeln und rühren sich nicht.

?as sind die Seelchen, die weit und breit
Sterben gemußt, eh die Tauf ste geweiht:

Im Särglein liegt die kleine Leich,

Nicht darf das Seelchen ins Lsimmelreich.

And innuer neue, — siehst es du? —

In leisem Fluge huschen dazu.

Da sitzen sie nun das ganze Iahr,
wie eine verschlasene Aäuzchenschar.

Doch weihnachts, wenn der Schnee rings liegt,
Und über die Länder das Thristkind fliegt,
Dann regt sichs, pludert stchs, plaudert, lacht,
Da sind die Aäuzlein ausgewachtl
Sie lugen aus, wer sieht was, wer?

Ia sreilich kommt das Thristkind her!

Mit seinem helllichten Lsimmelsschein
Fliegts mitten zwischen sie hinein:

„Ihr liebes Volk, nun bin ich da —

Glaubt ihr an mich?" Sie rusen: „Ia!

Da nickts mit seinem guten Gesicht
Und herzt die Armen und ziert sich nicht.

Dann klatschts in die Lsände, schlingt den Arm
Ums nächste — aufwärts schwirrt der Schwarm
Ihm nach und hoch ob Wald und N)ies
Ganz graden weges ins j)aradies.


IUgenieineves.

G Ein zweiter Kunsterzieh-
ungstag wird für den Herbst geplant.
Er dürfte Ende September entweder
in Hamburg oder in Weimar zu-
sammentreten und sich mit den Fragen
der Erziehuug zum Verständnisse der
Dichtkunst beschäftigen.

G Lebende Worte.

Goethe an eine angehende Künst-
lerin: „Da Sie.... einen lebhasten
Drang fühlen, dasjenige, was Jhnen
in der sichtbaren Welt begegnet, nach-
zubilden, so bitte ich Sie inständig,
sich nur andas Bewegte,Thätige,
Kräftige und Wirksame zu halten.
Um mich verständlich zu machen, geh'
ich schnell zu Beyspielen: Sehen Sie
den Kindern aufmerksam zu, wenn
diese nun im Frühjahr ihre Spiele

beginnen, es sey nun, daß sie Ball
werfen und schlagen, den Kreisel
peitschen, den Reif treiben, auf Stelzen
gehen, sich überschlagen und wozu sie
sonst die Ueberfülle unausgebildeter
Kräfte muthwillig verschwenden. Heften
Sie ferner Jhre Augen auf solche
Handwerker, welche kräftige, tüch-
tige Bewegungen nachzubilden Anlaß
haben; den Schmidtmeister, der
mit seinen Gesellen um den Amboß
herwirkend das Eisen bändigt. Lauern
Sie ihm wie andern das Charakteri-
stische des Geschäfts ab. Sind Sie
zu ruhigeren Betrachtungen geneigt,
so sehen Sie auf dem Markte Ver-
käufern und Käufern zu, dort werden
einem lebendig ausmerksamcn geist-
reichen Blick die anmuthigsten Motive

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