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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 12 (2. Märzheft 1903)
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Dem Andenken Hugo Wolfs
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0813

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vem Knckenken I)ugo Molks.

Dieses Heft gehört dem Gedenken an Hugo Wolf, einen der
stärkften Künstler, einen der reinsten Menschen, die in Tönen gesprochen
haben, einen Beschenker, dessen Schätze eben erst allmählich erkannt und
noch nach Jahrzehnten nicht in all ihrem Golde so ausgemünzt sein
roerden, daß jeder sein Teil davon hat. Dem Andenken Hugo Wolfs!
Seit Jahr und Tag beweinten wir ihn schon. Lange erwartet und
kaum befürchtet mehr, kam die letzte Kunde zu uns herüber. Was von
Hugo Wolf sterben konnte, nun ruht es.

Wie ganz anders schmetterte uns die Nachricht nieder, die am
20. September s897 uns die plötzliche Umnachtung seines Geistes
meldete! Von diesem Tage an war er aus der Reihe der lebenden
Meister geschieden, und wir mußten hier von ihm sagen: „Es ist wieder
einmal ein Genie vorübergegangen, das man von der vielköpfigen Herde
der Talente nicht unterscheiden konnte, die Tonkunst hat wieder einmal
einen heimlichen König verloren, bevor man merkte, daß es ein König
war." Wie das gekommen, es ist zu bitter, als daß man an dieser
Stelle all der Rezensenten-Erbärmlichkeit gedenken möchte, die um per-
sönlichen Streites willen einen Hugo Wolf wie ehedem einen Anton
Bruckner durch Totschweigen und Kleinmacherei niederzuhalten sich
bemühte. Nicht einmal die Entschuldigung des Nicht-Verstehens könnte
jenen Leuten ja helfen: Die Schönheit und künstlerische Vollendung
vieler seiner Gesänge war keineswegs so verborgen oder so schwer zu
ersassen, als daß sie nicht sofort hätten einleuchten können. Als sich seine
Muse endlich allen Hindernissen zum Trotze durchzusetzen begann, da
wurde der Künstler mitten in seiner Laufbahn vom Geschick dahingerafft,
die Tage des Ruhms hat er wachen Geistes nicht mehr erlebt.

Was Hugo Wolf für unsere Kunst und insbesonders sür das
Lied bedeutet, ist im Kunstwart seit dreizehn Jahren mit Nachdruck
betont worden. Wie kein anderer Musiker vor, neben und nach ihm
ist er in die dichterische Schönheit Goethes, Mörikes und Kellers
eingedrungen, verstand er dem Gedichte gleichsam die darin schlummernde
Weise zu entlocken. Musikantennaturen wird das Beste an ihm stets

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