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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 10 (2. Februarheft 1903)
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B: Lex Parsifal?
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0697

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Am 1.3. Februar kehrt zum zwanzigsten Male der Todestag
Richard Wagners wieder. Unter dem Eindrucke dieses ernsten Gedenkens
steht der Jnhalt unsres heutigen Hefts.

Zwanzig Jahre ist er tot. Noch ein Jahrzehnt, dann wird auch
kein rechtliches Band die Verbreitung seiner Werke mehr hindern. Wird
das bei allen diesen Werken dem Ganzen, unserm Volke zum Segen sein?

Jm Sommer dieses Jahres wurde zu Bayreuth ein Bund ge-
gründet, um dahin zu wirken, daß Wagners „Parsifal" der Festspiel-
stadt für immer vorbehalten bleibe. Dennoch hat er nicht verhindern
können, daß man in Amsterdam, wo das internationale Urheberrecht
keine Geltung besitzt, das Werk als Oratorium aufsührte, und dieses
Vorkommnis gab Anlaß, den ganzen Komplex von Fragen, die sich an
das Bayreuther Monopol aus den „Parsifal" knüpfen, neuerdings ösfent-
lich zu erörtern. Zwei Parteien stehen einander gegenüber, auf der einen
Seite der „Bund", auf der andern die „Freibeuter", und zwischen dem
Entweder-Oder der beiden, die für ihre Sache mit scharsgeprügten Schlag-
worten eintreten, führt kein sogenannter goldener Mittelweg.

Der Parsifalbund hat ein Gewicht von entscheidendem Belang in
die Wagschale zu werfen: den ausdrücklichen Wunsch und Willen des
Meisters. Jm übrigen ist er keineswegs populär und hat den Schein
der verstiegenen Schwärmerei, der Engherzigkeit und der Abkehr vom
Fortschritt der Zeiten nicht immer zu vermeiden gewußt. Er singt das
alte Starenlied von anno s882 weiter, statt seine Leier auf die Ton-
art des zwanzigsten Jahrhunderts einzustimmen. Da haben die Wider-
sacher leichtes Spiel, sie zitieren Goethes „Vernunst wird Unsinn" und
sordern das der Gegenwart entsprechende Recht; sie verweisen auf die
Einbürgerung des Nibelungenwerkes; sie erklären, daß man den Zugang
Zu den Schöpfungen der Kunst nicht behindern, sondern im Gegenteil
befördern müsse und deuten auf die Tausende hin, denen mit der Fahrt
nach Bayreuth auch der Eindruck vom „Parsifal" versagt bleibt. Man
kann dem Bund den Vorwurf keineswegs ersparen, daß er sich allzu-

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