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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1903)
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Bonus, Arthur: Begeisterungsreden
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Batka, Richard: Das Deutsche Kunstlied, [4]: die schwäbische Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0589

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kehren, und der ganze Charakter des Festes könnte sich darnach wenden und
ernster werden. Er könnte etwas von dem berommen, was Fechner
so ausdrückt:

„An jedem Feste, das wir den Toten geben, steigen sie herauf;
um jede Statue schweben sie, die wir ihnen setzen; bei jedem Liede,
das ihre Taten singt, hören sie mit zu. Ein Lebenskeim für eine neue
Kunst!" Wenn Fechner in diesem Zusammenhange auf das Abendmahl
hinweist, so ist das ein gutes Beispiel. Denn hier ist die lebendige
Gegenwart dessen, was geseiert wird, zum Ausdruck gebracht und die
Ueberzeugung davon einigermaßen — allerdings auch nur einiger-
maßen — wach. Und alsbald hat dieser Zweck der Feier denn auch
die äußerste Schlichtheit in der Ausprägung durchgesetzt.

Fechner scheint sagen zu wollen, daß unsre Gedüchtnisfeste wieder
mehr vom Charakter des Mysteriums annehmen sollten.

Hier möchte ich Halt machen. Denn diese Dinge sind noch nicht
reif, und wer hier vorzeitig etwas erzwingen will, süllt in schlimmere
Unkultur als die, von der wir los wollen. Schon das Wort „Mysterium"
haucht uns an wie Symbolistik und ästhetifierende Künstelei. Es würde
statt des wirklichen Mysteriums, statt der aus starker Ueberzeugung
ruhenden und daher äußerst schlichten Feier einer inneren Wirklichkeit
eine phrasenhaste Nachahmung von alten Mysterienformen entstehen.
Das sei serne.

Vorläufig kommt alles daraus an, daß zurückhaltender gesprochsn
wird von den Dingen, die ernst genommen werden sollen.

Und ein lebendiges Gesühl — um zu unserem Ausgangspunkt
zurückzukehren — dasür, wie wenig an den Burentagen Sache und
Form in den Veranstaltungen zusammenstimmten, wie sehr dagegen in
den Reden der Burensührer, würe schon ein guter Anfang.

Artbur Bonus.

Vas ciLLrtscke RunstlLeä.

q.. Die schwäbische Schule.

An der Hand des neuen, grundlegenden Werkes von Friedlän-
der* sällt es nicht schwer, sich die Entwickelung des Liedes in Süd-
deutschland zu vergegenwärtigen. Die Berliner hatten es zwar „zur
Natur zurückgesührt", aber diese Natur war winterlich dürr, frostig
und reizlos. Und auch die Wendung zum Besseren, die I. A. P.
Schulz bezeichnet, entrückt uns noch lange nicht der Sphäre einer
gewissen Nüchternheit, die vom Sentimentalen meilenweit entfernt
bleibt. Hingcgen überwiegt bei den Süddeutschen von Anfang an
die Sinnlichkeit nnd Empfindung im Guten wie im nachteiligen Sinne.
Schon die von Valentin Rathgeber 1773 als „Augsburger Taselkon-
sekt" herausgegebene Sammlung von Trink- und Schmausgesüngen
„zur Aufmunterung melancholischen Humeurs" bietet hiefür überzeu-
gende Beispiele. Zu 'der Urwüchsigkeit des in unserer Notenbeilage
wiedergegebenen Bummelkantus „Alleweil ein wenig lustig" mit

* Das deutsche Lied im ;8. Jahrhundert. Quellen und Studien von
Max Friedländer. s Bde. (Stuttgart, Cotta.)


2. Ianuarbeft zyos
 
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