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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1902)
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Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [18]: Schulen
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0033

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solchen neuen Anlagen haben. Sehr gespannt dars man aus das neue
Zehlendorser Gymnasium sein, das ebensalls Tpriot übertragen ist.

Eine zusammenfassende Betrachtung noch zu allen vier Bau-
meistern. Nicht einen plagte der Wunsch, zwischen dem, was vor ihm
Gutes geschasfen war, und seinen eigenen Werken einen Schnitt zu
machen. Nicht einer setzte seinen Ehrgeiz darein, mit großer Mühe allen
Formen aus dem Wege zu gehen, die etwa schon vorher dagewesen
sein könnten. Ein Jeder sagte sich: die Entwicklung ist bis zu einem
gewissen Zeitpunkt ihren steten Weg gegangen, bis zu einem beschämenden
Jnterregnum, von dem wir lieber schweigen wollen. Nehmen wir also
diese abgerissene Tradition wieder auf und sühren wir sie sort in den
Bahnen, die unsre Heimat und unsre Stammesart uns weist. Jst ein
neuer Sinn irgendwo gekommen — gut, so werden neue Formen ganz
allein für seinen Ausdruck entstehen, so lange wir im Besitz einer ge-
staltenden Krast sind. Fehlt die, so ist doch alles vergebens. Aber lassen
wir von dem törichten „So Tun," als ob jeder einzelne Baumeister sür
sich seine ganz neuen Privatsormen erfinden müßte, und lassen wir auch
von dem unnützen Bestreben, unsern heimischen Formenschatz mit uns
ganz fremden exotischen Formen aufzuputzen. Gestehen wir ruhig ein,
daß die Deutschen unsere Väter und die Griechen unsre Oheime gewesen
sind. Uns dünkt dies keine Schande, sondern eine Ehre, das Komödie-
spielen wollen wir andern überlassen. Paul Schultze-Naumburg.

Mätter.

Oie in cieutscder I^yrik.

V orb e m erkung. Gerade heute zum Beginn eines neuen Jahrgangs
bieten wir den Lesern an dieser Stelle Gedichte, dis sie grötztenteils schon
kennen. Was gibt uns zu diesem Wagnis, das jeder „erfahrene Redakteur"
aus das Strengste verurteilen mutz, den Mut? Das Bewutztsein, dah mir
unsern Freunden mit der folgenden kleinen Anthologie als einem Ganzen
doch etwas neues gäben, und wenn üie Teile einem jeden noch so vertraut
wären. Oder ist es nicht wundersam, wie bei solcher Zusammenstellung durch
Gegensatz und Harmonie das Einzelne sich hsbt und wie doch wieder Alles
zusammentönt zu einem noch unerhört umsassenden hohen Liede der deutschen
Lyrik aus die Nacht?

Gerade unsere ernstgemeinten lyrischen Anthologien ordnen die Gedichte
sehr selten nach ihrem Gegenstande, wie nahe es liegt, bis aus wenige
Ausnahmsn tun das doch nur Spezial-Sammlungen. Woher kommt das wohl,
als weil wir zu „literarisch" sind? Es liegt uns, ob wir uns dessen bewuht
werden oder nicht, viel öfter daran, die Dichter oder die „einschlägige Literatur"
durch eine Auslese zu schildern, als das Sein selber im Spiegel üer Kunst zu
zeigen. Wollen wir auch die Anthologien als Tor nicht zur Kunstwissenschaft,
sondern zur Kunst selbst und damit zum Leben benutzen, so werden wir von
diesem Wege uns abwenden müssen, obgleich der andere wegen der aus-
einanderstrebenden Mannigfaltigkeit der Dinge schwerer zu beschreiten ist. Jch
glaube, Zusammenstellungen wie üie folgende regen zur Vertiefung in üie
grohe Naturschönheit der Nacht selber, also in üie Sache, in üas Wesen
selbst an. Deshalb unser Beispiel ohne Scheu vor dem Vorwurf, Bekanntes
zu geben.

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z. Gktoberhest t902
 
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