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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 10 (2. Februarheft 1903)
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Steinhausen, Heinrich: Paul Gerhard und sein Denkmal
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Grunsky, Karl: Bruckners Symphonien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0705

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Anlässen sür die Berusenen, aus dem vorhandenen, wenn auch vielfach
vergessenen Erbe Neues zu herrlicher Wirkung zu gestalten?

Warum sollte nicht auch eine kleine Stadt eine Pflegestätte solcher
Mühetage werden? Waren doch gerade in den Städten der Lausitz
allerorten noch vor einem Menschenalter Kantoreien zn sinden, die aus
alten Stistungen beruhten, mit den Gymnasien eng zusammenhingen
und auch den kunstvollen, geistlichen Kirchen-Gesang öffentlich pflegten.
Auch diese Gebilde hat unsre alles gleichmachende Zeit wohl überall
zerstört, und gegen Sängerchöre von Gymnasiasten, die nicht nur zu
Kirchenmusiken, sondern auch vor den Häusern von Sangesfreunden
zur Anstimmung von geistlichen und Volks-Gesängen sich versammelten,
ist gewiß schon jede wachsame Schulüehörde eingeschritten aus Unter-
richtsgründen. Aber an solche Einrichtungen könnte wieder leicht ange-
knüpft werden. Paul Gerhards Gedächtnis könnte dazu ermuntern,
und Lübben, als seine Stadt, seiner Lieder und seiner Art und Kunst so
voll werden, wie die Städte, die sich der Geburt Homers rühmten, von
seinen Versen.

Ach, das sind Träume und bleiben Träume. Freilich, sie könnten
Wirklichkeit werden sür den vierten Teil der Mittel, die eine Gerhards-
sigur kostet. Aber wir haben ja Geld, wir bringen's schon zusammen.
Also ein Denkmal für Paul Gerhard vor der Kirche auf dem Markte!
Zwar die Stadtkinder werden's gewohnt und achten bald nicht mehr
darauf. Aber für den Touristen ist's doch eine „Sehenswürdigkeit", 's
ist doch ein Denkmal, wieder eins, noch eins!

tseinrich Steinbausen.

Vruckners 8yrnpkonieen.

Jn jedem Winter mehren sich die Ausführungen Brucknerscher
Werke; insbesondere wird sich seinen Symphonieen kaum ein Orchester-
dirigent noch ganz verschließen, mag er diese Musik aus persönlichem An-
trieb wollen oder sie im Zwange der Nachsrage bieten. Am s s. Februar
soll in Wien auch die neunte Symphonie Bruckners ausgesührt werden,
mit dem To vsum als Finale; nur drei Sätze vermochte der Komponift
ja zu vollenden. Um eine solch eigentümliche Erscheinung wie Bruckner
hat sich schon eine Gemeinde geschart, die nur desto fester zusammenhielt,
je schwerer ihr Held von Anbeginn seiner Komponistenlausbahn zu ringen
hatte. Von der Gehässigkeit, mit der die amtlichen Musikkreise Bruckner
in Wien seinerzeit begegneten, macht sich der Unkundige kaum einen
Begriff. Manches an diesem Symphoniker war neu und nicht leicht zu
verstehen; aber nicht die Langsamkeit des Verständnisses, sondern die
Böswilligkeit der Machthaber suchte seinen Ruf und Ruhm zu ver-
hindern. Wenn heute dieser Bann gebrochen ist, so sängt damit erst
die Zeit an, die allmählich über Bruckners Werk in der öffentlichen
Meinung entscheidet; den Ausschlag werden nun, wie in jeder der-
artigen Frage, die vielen Unbeteiligten geben, die den musikalischen
Parteiungen ganz fremd gegenüberstehen. Es gibt zum Glück Leute
genug, die von der Musik ein schlichtes, wahres Glück heischen, ohne
dabei Kennerschast zur Schau zu tragen, ohne die Augen zu verdrehen
oder mit dem Lobe des einen Tondichters den andern in die Hölle Zu

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