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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1902)
DOI Artikel:
Fischer, Theodor: Ueber das Restaurieren
DOI Artikel:
Weber, Leopold: Sprechsaal: nochmals Maeterlincks "Monna Vanna"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0400

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äußerer Grund maßgebend. Jn einer Jnschrift sagt der Erbauec zwar
dem Sinne nach, daß der Turm zu seiner früheren Höhe wieder aus-
gerichtet worden sei; soviel ich aber weiß, ist dasür kein anderes Zeugnis
oorhanden, als ein Merianscher Stich. Daß aber Merian sast alte
Türme außer Verhültnis gezeichnet hat, ist bekannt. Aus welchem Grunde
die erkerähnlichen Holzbauten angebracht worden sind, ist mir unerklärt
geblieben. Vielleicht, daß irgendwelche Balkenlöcher oder Kragsteine an
dieser Stelle gefunden, die srüher sür die Konstruktion ähnlicher Verteidi-
gungsmaßnahmen (Pechnasen) gedient haben mochten. Ob heute der-
artiges am Platze sei, scheint mir zweiselhast; höchst merkwürdig sällt
aber aus, wie übel diese Ausbauten gerade an dieser Stelle des erhöhten
Turmes diesen der Höhe nach teilen. An der alten Stelle des alten
niedrigen Turmes würen sie genau am richtigen Ort gewesen. Es muß
dem Betrachter überlassen werden, Vergleiche im einzelnen anzustellen;
mir scheint nur das in beiden Fällen unabweisbar, daß die Türme nach
dem Umbau den ganz spezisisch-modernen Stempel des Uebertriebenen,
Unzweckmäßigen und Komplizierten tragen, daß sie also nicht im Geiste
der Alten entstanden sind, sondern im neuzeitlichen, daß sie aber das
Gewand des Alten tragen, also Maskerade bleiben. Es ist unmöglich,
heute gotisch zu bauen, das beweist uns der beste Gotiker, den
wir haben. Theodor Fischer.

(Unter sachlicher Verantwortung der Einsenderp

stlocbrnals MÄeterlincks „Monnu Vunna".

Meine Befprechung der Monna Vanna Maeterlincks ift, wis ich aus
privaten Entgegnungen eninehme, in einigen Punkten mißverstanden worden.
Wohl meine ich, daß der Dichter ein kleinlichss Empfinden verrät, der seine
als edel gedachten Leute als zu etwas Hohem zu jensr Philistermoral
reisen läßt, die psrsönlichs Ehre Zweckmäßigkeitsgründen unterordnet; diese
Verurteilung denke ich aber natürlich keineswegs in eben dem Maß aus das
Handeln der betreffenden Frau selber auszudehnen — üeren Verhalten kann
unter dem Drang der Umstände von den mannigsaltigsten psychologischen Mo-
tiven beeinslußt sein und dars ohne weiteres als eine Aufopserung in seiner
Art gedeutet werden. Nur wsnn Monna Vannas Aufopferung als eine „sieg-
haste" an dem Jnstinkt einer wahrhaft großsn Ssele gemessen werden soll,
wie das Maeterlinck denn doch wohl verlangt, nur unter dieser bestimmten
Voraussetzung läßt sie sich auch bestimmter bewerten. Subjektiver Art wird
diese Wertung freilich immer bleiben müssen.

Es ist nicht bloß eins ästhstischs Unlust, dis Vanna zu überwinden hat,
wenn sie sich, die ihren Mann achtet und zu lieben glaubt, einem Fremden hin-
geben soll. Sie muß dabei doch auch in das Vergewaltigen ihres ehelichen,
eines häheren seelischen Verhältnisses willigen, sie muß es zugeben, daß die
Gier dieses Verhältnis besudelt, damit sie das Leben ihrer Mitbürger retten
könne.

Es wird ihr ja absr gar nicht besudelt, wendet man mir ein: sie steht eben
in ihrem Jnnern hoch über dieser kärperlich seelischen Beleidi^ung. Jst das
richtig, so sind all meine hieraus bezüglichen Ausführungen hinfällig, aber ich
meine hier einen Trugschluß zu sehn. Alle unsre ethisch-ästhetischen, alle unsre

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Aunstwart
 
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