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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 8 (2. Januarheft 1903)
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Batka, Richard: Das Deutsche Kunstlied, [4]: die schwäbische Schule
DOI Artikel:
Schultze-Naumburg, Paul: Kulturarbeiten, [19]: moderne Wohnhäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0591

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allem aber seiner lyrischen Kleinkunst zukommt. Diese kleinen Lieder,
in denen das volkstümliche Strophenlied, die eigenste Form des Zeit-
alters, zur höchsten Blüte gedieh, schrieb Zumsteeg für das Albnm
seiner Frau, die als einstmals verwöhnte Patrizierstochter dem armen
Künstler tapfer alle Nvte einer dornenvollen Lausbahn tragen hals.
Wahrend der vollen Entsaltung seines Talents, an der Schwelle des
äußeren Erfolges ereilte ihn cin vorzeitiger, plötzlicher Tod. Ercks ver-
breiteter Liederschatz (Leipzig, Peters 3 Bde.), der eine sehr schätzbare,
in dieser Hinsicht vom Publikum viel zu wenig genutzte Quelle sür die
Kenntnis der Liederliteratur des 18. Jahrhunderts bildet, enthielt zwar
viele Zumsteegsche Lieder, doch erst Landshofs lenkte durch seine Aus-
gabe einer Auswahl (Berlin, Dreililienverlag) die Ausmerksainkeit wei-
terer Kreise daraus hiu. Mit Recht sagt er, es sei ihnen „ein Ton
zu eigen, der in der Musik nicht wiederkehrt" und überweist sie der
Hausmusik zur weiteren Pslege. Und können wir auch in die hohe
Bewunderung nicht mehr mit einstimmen, die Schubart, Loewe, Le-
nau u. A. der Muse Zumsteegs entgegenbrachten, so mag ihr doch
neben späteren und größeren Meistern ein bescheidenes Plätzchen im
lebcndigen deutschen Liederhorte gesichert sein. R. B.

Nulturarbellen.

INoderne lvohnhäuser.

„Sollten wir denn nur in Jhren schönen alten Häusern wohnen?"
werde ich von Zeit zu Zeit von Kunstwartlesern gefragt, die mit Ver-
ständnis, aber nicht im Zusammenhang den Darlegungen der „Kultur-
arbeiten" gefolgt waren und auf diese Weise zu Schlußfolgerungen
kommen, die ich nicht gezogen haben wollte.

Wenn wir jene kostbaren Zeugen einer feinen, ehrlichen und vor-
nehmen Kultur so genau untersuchen, so geschieht es nicht einmal an
erster Stelle, um ihren tatsächlichen Wert wieder von neuem zu erkennen
und zu ihrer Erhaltung beizutragen, sondern es geschieht vor allen Din-
gcn, um in ihnen eindringliche Lehrer zu finden, welche uns von wür-
digen Lebensformen erzählen, die wir verloren haben und die es wieder-
zugewinnen gilt. Lebensformen? Ja, zu allererst Lebens-, nicht
Bauformen. Denn wenn wir an der ästhetischen Erkenntnis der letzten
Jahrzehnte, die jetzt beinahe eine Jedem gelüufige Phrase geworden ist,
fefthalten: an der Erkenntnis, daß alle äußeren Formen Ausdruck
ihrer inneren Vedingungen sind, so wird es uns uicht allein genügen,
nns mit Bauformen zu umstellen, die an sich zwar der Ausdruck von
edlen Lebensformen sind, die aber leere Attrappen bleiben müssen,
wenn sie nicht die Wahrheit erzählen. Sondern wir müßten zunächst
dafür sorgen, daß unser Sinn der rechte werde, der den schönen
Ausdruck erst rechtfertigt.

Man könnte nun den Satz zwar umdrehen und sagen: die schöne
und edle Form erzieht aber auch den edlen Sinn. Ganz sicher be-
steht solche Wechselwirkung; ich selbst wies mit denselben Worten schon
des öfteren darauf hin.

Mir will aber bei näherer Betrachtung scheinen: der rechte Sinn
ist schon noch zu sinden und zwar gar nicht s o selten, wie die Formen

2. Ianuarheft ^903
 
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