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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1902)
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Avenarius, Ferdinand: Literarische Vereine
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Bartels, Adolf: Emil Zola
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0097

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tung einer guten Vereinsbücherei und einer Lesehalle, WLNN nicht andre
leicht zugängliche Einrichtungen am Ort dergleichen entbehrlich machen.
Wie viel könnte ein rührig geleiteter literarischer Verein sonst noch tun!
Er könnte die Leihbüchereien und Lesezirkel der Buchhändler beeinslussen,
könnte mit seiner Empsehlung in den Feuilletons der kleinen Zeitungen
eintreten und dort agitieren, könnte aus die Auswahl der „Zeitungs-
romane" mitwirken. Das „nach außen Bewegen" Fausts — was sind
wir doch für Philister, die wir uns so ost am falschen Platze davor
scheuen! A.

Srnil

Wenn ein bedeutender Dlann stirbt, so überlegt man, nachdem die
crste, auch bci starker Gegensätzlichkeit nicht ausbleiüende Erschütterung
vorüber ist, in was für einem persönlichen Verhältnis man zu ihm
gestanden hat, und die Erinnerung sührt eine Reihe charakteristischer
Bilder heraus, die dieses Verhältnis beleuchten. So oüjektiv, daß er
den Verstorbenen gleich in rein historischer Beleuchtung sühe, so ruhig
und überlegt, daß er gleich das Facit seines gesamten Lebens und
Schaffens in dürren Worten ziehen könnte, ist auch von uns Literatur-
menschen, die wir gewohnt sind, über alles zu schreiben, bis auf die
reinen Geschäftsleute, die immer fertig sind, keiner; man darf wohl auch
sagen, daß der Nekrolog, dem man nicht die erregte Seele, die zitternde
Hand anmerkt, wenig taugt. Unzweifelhast haben die persönlichen Er-
innerungen, mögen sie sich auch nicht aus den Toten selbst, sondern nur
aus die Wirkung seiner Werke beziehen, so gut Wert wie die Ergebnisse
geschichtlichen und ästhetischen Denkens, die durch jene Werke hervorge-
rufen sind; man ist eben zunächst auch nur „Zeitgenosse", und indem
man darstellt, tvie Taten oder Bücher aus einen gewirkt haben, giebt
man einen Beitrag zur Geschichte seiner Zeit, der um so wichtiger ist,
je mehr andere Zeitgenoffen in ihm ihr eigenes Erlebnis wieder finden.
Jndem ich also berichte, wann und wie Emil Zola, der nun Verstorbene,
auf rnich wirkte, darf ich überzeugt sein, für hunderte von Deutschen meiner
Generation zu schreiben. Es war die Nana, Zolas berüchtigstes Werk,
das zuerst in meine Hünde kam, in einer der schlechten, gemein illu-
strierten ungarischen Ausgaben, bald nach seinem Erscheinen. Obwohl
meine stoffliche Neugierde sich heißhungrig genug in das Werk einwühlte,
hat es doch schwerlich einen schlechten Einsluß aus mich geübt — es ist
eben auch unglaublich viel Abstoßendes darin, zumal sür den deutschen
Jüngling, und ich war Sekundaner oder Primaner. Den Dichter Zola
habe ich dann eine Reihe von Jahren später beim Lesen des „Germinal"
gespürt, den ich mir als Student von Hermann Conradi geliehen hatte:
der neue deutsche Sturm und Drang war ausgebrochen, die Gewalt
der Zolaschen Milieudarstellung, seine Massenwirkungen, sein Sozial-
gesühl bezwangen uns. Etwa zehn Jahre später habe ich die meisten
Werke des großen Rougon-Macquart-Zyklus gründlich studiert, um mir

* Die besten deutschen Ausgaben Zolas, die einzigen, die ernsthaft in
Frage kommen, sind die bei der Deutschen Verlags-Anstalt in istuttgart er-
schienenen Uebersetzungen. So viel wir wissen, fehlen dabei allerdings auch von
scinen Hauptromanen die srüheren.

2. GktoberhefL ^902

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