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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 12 (2. Märzheft 1903)
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Batka, Richard: Hugo Wolfs Mörike-Lieder
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Batka, Richard: Hugo Wolfs Goethe-Lieder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0818

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genen „Gürtner"? Welche schmerzliche Resignalion in „Agnes"! Welche
tragischkomisch-entzückende Perspektive bei dem „Zitronensalter im
April"! Und schließlich „An eine Aeolsharfe", eine der glücklichsten Ein-
gebungen Wolfs mit seiner süßen, aus dem Tonfall der Rede wie von
selbft herausblühenden Kantilene des Mittelsatzes (schade nur, daß
die Führung der Singstimme in der zweiten Halfte mit der mächtigen
Steigerung des Klavierparts nicht mehr ganz gleichen Schritt halt),
sowie das in seiner freien Form, mit den ausdrucksvollen instru-
mentalen Zwischenstufen höchst merkwürdige „Erste Liebeslied eines
Mädchens".

Die schalkhafte „Nimmersatte Liebe" lcitet zu jener Gruppe
hinüber, wo Wolf seinem warmen, echten, kernigen Humore die Zügel
schießen läßt. Die famose „Storchenbotschaft", den auf den Ländler-
ton fein abgestimmten „Rat einer Alten", das behaglich-protzige
„Selbstgeständnis" u. a. m. Mit dem drastisch-komischen „Tambour",
einem Kabinetstück seiner Art, sind wir schon halb auf dem Gebiete
der Ballade angelangt, wo das köstliche „Elfenlied", der prachtvoll ent-
wickelte, leidenschaftliche „Jäger", ein Konzertlied ersten Ranges, der
dämonisch packende, atemversetzende, grausige „Feuerreiter" und der
visionäre, sich zu königlicher Majestät erhebende „Gesang Weylas" her-
vorragen, von welch' letzterem wieder zu den religiösen Gesängen
zurück, nur noch ein Schritt ist.

Jch habe nur jene Lieder aus dem stattlichen Bande namhast
gemacht, die in mir den größten Eindruck zurückließen, so daß ich sie
als ein unverlierbares geistiges Besitztum am meisten schätze. Andere
mögen aus dem reichen Hort noch andere Edelsteine wählen, doch
könnten wir einstweilen gar sehr zufrieden sein, wenn wenigstens jcne
zur Zeit schon in weiten Kreisen deutscher Musiker bekannt und gelicbt
wären, wie sie es verdienen. Jn jüngster Zeit freilich wird der
„Gärtner", „Weylas Gesang" und die „Verborgenheit" häufig in Kon-
zerten gehört, aber warum immer nur diese? Die Welt wird staunen, bis
sich ihr die sämtlichen Schätze dieses Meisters erschließen, dem, bis
er in der Nacht des Wahnsinns versanr, nur wenige Sonnenstrahlen
des Glücks gelächelt haben. R. Batka.

ltzago Mol?8 Goetke-L.lecier.

Es ist merkwürdig, daß in dem Schaffen unserer großen Lied-
meister, wenn wir von Franz Schubert absehen, die Lyrik Goethes
nur eine Episodenrolle spielt. Erst Hugo Wolf hat es wieder unter-
nommen, sich mit unserem größten Dichter auseinanderzusetzen und
der Ertrag dieser Beschüftigung liegt in einem einundfünfzig Lieder
umfassenden Sammelbande vor.

Man weiß, mit welch schrankenloser Hingebung sich Wolf in
den Geist des Dichters versenkt, der ihn einmal ergrifsen hat, und
so zeigen diese Kompositionen des großen Objektiven unter den Meistern
wieder eine ganz andere Physiognomie als jene des Mörikebandes.
Mörikes sonnige Lieder hatten das musikalische Genie Wolfs zum
Blühen gebracht; unter Goetheschem Einfluß schoß es wie nach einem
warmen Regen gleichsam ins Laub. Aus dem wuchernden Blatt-

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