Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

DOI Heft:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1902)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0067

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
scheidenften Arbeiter irn Reichs üer
Kunst geläusig sind. Aber die pein-
liche Notwendigkeit erklärt sich, sobald
wir begreifen, daß es eben nicht der
Künstler ist, mit Lem wir zu verhan-
deln haben, sondern der Gelehrte, nicht
der Mann der schöpferischen Phantasie
und ües Raumsinns, sondern des ge-
lehrten Wissens und seiner Verwendung.

Es ist noch etwas Anderes, wofür
der Verfasser dieses Werkes kein Ver-
ständnis gehabt hat: der Brunnenstil.
Wenn in der Berliner Kritik wieder-
holt der Vorwurf der Kleinlichkeit er-
hoben wird, so erklärt sich ein solcher Ein-
druck, meine ich, in erster Linie aus
der Kümmerlichkeit in der Anordnung
des Wasserspiels, das, soweit ich zu
erkennen vermag, des Zus ammenhanges
mit den Gedanken und Formen des
Aufbaus durchaus ermangelt. Aus
nordischem Urgestein sollte hier das
Wasser quellen, die gebundene Kraft
ües wuchtigen Aufbaues sollre sein
leichtes Spiel lösen und bewegen. So
hätte der Künstler hier die Kräfte der
Beharrung und der Bewegung und so-
mit in rein künstlerischen Formen einen
hier sehr wohl angebrachten politischen
Gedanken: das Gegenspiel üer be-
harrenden, konservativen und der be-
fruchtenden, neuschaffenden Elemente
üarftellen können. Die Wasserleitungs-
röhren, die hier und dort angebracht
sind, tun's freilich nicht.

AlberL Dresdner.

* „Höhenkunst in der Mods."

Die »Looiete Inäustrikllo äe Ddoto-
grapdlk« in Paris gibt setzt ein neues
Unternehmen in Monatsheften mit je
zehn Photographieen heraus, »kdoto-
Arg.xb.i63 äs Noä68 Usri8i6nn68«, und
die „Neue Photographische Gesellschaft"
in Berlin-Steglitz sucht ein Verüienst
darin, diese Modebilder als „Höhen-
kunst in der Mode" auch uns Deutschen
zugänglich zu machen. Jch meinerseits
habe üie Probelieferung mit Staunen
und Grauen betrachtet. Die Repro-
duktionen als solche sind vortrefslich,

t- Dktoberheft LZ02

und zu bestreiten, daß sich im ein-
zelnen bei diesen Luxustoiletten oft
der geübte sranzösifche Geschmack be-
währt, wäre auch salsch. Jn allem
aber bewährt er sich nicht. Wir unfer-
seits kommen doch wohl mit der
Zeit so weit, das selbst bei „Kostüm-
sragen" sehen und sagen zu dürfen

— hat doch z. B. üie letzte Weltaus-

stellung in vielen Fällen seine Fehl-
barkeit dargethan; man denke nur
gleich an ihr fürchterliches Hauptportal
mit der begrüßenden Dame. Aber
üiese Skrupel sind nicht die wichtig-
sten. Das wichtigste ist: wir haben
jetzt nach Schultze-Naumburgs und
anderer Leute Agitation durch üie
Kleider zu sehen gelernt, wir sehen
nicht mehr bloß den Behang bei diesen
Toiletten, sondern auch darunter die
Puppen. DiePuppen? Ja, „üieFrauen"
zu sagen, käme mir vor diesen ver-
schnürten und verdrechselten Mode-
sklavinnen wie eine Beleidigung unsrer
Frauen vor — bei den hier abge-
bildeten Damen samt und sonders
möchte man nach dem Orthopäden
rufen. Und so kann ich angesichts
dieser „Höhenkunst" nichts thun, als
üringendst vor Nachahmung zu war-
nen. Endlich, endlich hat bei uns
eine Bewegung zur Reform der Frauen-
kleidung mit Energie eingesetzt; aus
ästhetischen, gesundheitlichen und sitt-
lichen Gründen ist sie zu fördern soviel
man nur fördern kann — Gott bewahr
uns davor, ihr das Wasser abzu-
graben! A.

* „lü xolverk antioa."

Als in Venedig der Glockenturm
eingeftürzt war, bildete sein Staub
auf den schwarzen Gondeln eine weiße
Schicht. Aber den Gondelsührern ging
es gegen den Sinn, sie wegzuwischen

— „6 xoivere s.ntiea," sagten sie, „das
ist Staub vom Altertum." Welch merk-
würdiges Volksempfinden in diesem
Wort! Wie viele Schönheiten werden
bei uns von Jahr zu Jahre wegge-
wischt ohne Not und sind doch mehr

4:5
 
Annotationen