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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1902)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0121

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Rofner (heftig gegen Obholzer): Du willst rnir mein Geld zurück-
halten, das ich von der Gemeinde rechtmäßig gut hab'? . . . (Wendet fich
erregt an Mattes Ehrnreich) Mattes! Zahl aus! Auf der Stell' zahl' aus!
(Mattes Ehrnreich zieht die Brieftasche.)

Obholzer (zu Mattes Ehrnreich): Nit unterfteh'n! Jch, der Vor-
fteher, verbiet's! (Mattes Ehrnreich steckt mit bedauerndem Achselzucken gegen
Rofner die Brieftasche wieder ein. Obholzer schwingt triumphierend üen
Zettel) Da schaffen jetzt wieder einmal die Geschäftsleut'I (Ruft) Achtungl
(Es wird ftille. Sehr aufgeräumt) Also, der Revers datiert vom Jahre 93!
Da heißt es (Liest): Die Gemeinde verleiht aus der sogenannten Wallfahrts-
ftiftung dem Studenten des ersten Jahrganges Johann Rofner ein Stipendium
im Betrage von jährlich sechzig Gulden, in üer Erwartung, daß sich derselbe
nach zurückgelegten Studien dem geiftlichen Stande widmen wirü. Sollte er
aber nachträglich hiezu (betont laut) keine Neigung bekunden, so verpflichtet sich
deffen Vater Andreas Rofner oder im Falle des Ablebens der Haus- und
Hoferbe — (spricht zu Rofner) das wärst nämlich du — (lieft) den aufgelaufenen
Stipendiumbetrag (betont) sofort, ungesäumt der Gemeinde zurückzustellen.
(Spricht) So, und jetzt kommen die Unterfchriften: (Liest) Andreas Rofner,
Gütelbauer, (spricht) und der damalige Gemeindevorsteher (liest) Mattes Ehrn-
reich! (Zu Mattes Ehrnreich) Alfo du warst damals Vorfteher!

Metzger (klopft Mattes Ehrnreich bewundernd auf die Achfel): Ja. . .
der Mattes ist halt ein stilles Wasserl! Auf den Revers hätten wir ganz
vergeffen!

Obholzer (fährt fort): Vom Geistlichwerden will der junge Mann
nichts wissen . . . also muß jetzr laut Revers der Stipendiumberrag für acht
Jahre . . . (rechnet) fechzig mal acht macht §80 Gulden .. . vom Haus- und
Hoferben (deutet auf Rofner) zurückzahlt werden, und zwar (liest im Schrift-
stück noch einmal die Stelle) fofort, ungesüumr! (Wendet fich an Atattes Ehrn-
reich) Mattes! §80 Gulden behaltst für die Gemeinde zurück . . . zwanzig
zahlft aus!

Metzger (klatscht in die tzände); Recht fo!

Wendl: Bravo . . . Vorsteher!

Mattes Ehrnreich (zu Obholzer): Vorsteher! Uebernimmst du die
Verantwortung?

Obholzer (deutet auf das Schriftstück in feiner Hand und versorgt es
in der Rocktasche): Jch übernimm sie!

Mattes Ehrnreich (geht auf üen Tisch zu, in dessen unmittelbarer
Nühe Rofner und Rofnerin wie betäubt ftehen, und zählr das Geld auf den
Tisch): Rofner! Da sein zwanzig Gulden oder vierzig Kronen!

Obholzer (triumphiert): Da schaffen jetzt wieder einmal die Ge-
schäftsleut'!

Erster Zimmermann (schickt sich mit den anderen Hantierern zum
Gehen an. Verbissen): Auch recht: Wissen wir doch, wie wir dran fein!

Zweiter Zimmermann (geht der Türe zu): Jetzt geh'n wir direkt
zum Advokaten!

Maurer (im Abgehen): tzütte und Ackerfeld lassen wir ihm ver-
steigern . . .

Kalkbrenner (im Abgehen): tzütte uad Ackerfeld . . . ohne Gnad' . . .

Rofner (schreckc nun, da die Hantierer abgehen, plötzlich aus seiner
Betäubung auf. Eilt mit seinem Weib den Abgehenden nach und sucht fie

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