Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

DOI Heft:
Heft 2 (2. Oktoberheft 1902)
DOI Artikel:
Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0132

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kinder gleichwie der Väter Land —
unt derselben Hingabe liebt wie das
Volk selbst. Wir Schweden aber ent-
ehren in großen nationalen Augen-
blicken den König samt uns dadurch,
daß wir seine und unsere Gesühle sür
das Vaterland zusammenschneiden zu
Glückwünschen sür das Fürstenhaus.

Daß die Schweden kein wirkliches
Nationallied haben, daß sie es vierzig
Jahre lang durch eine Königshymne
ersetzt haben, das ist der Jnnerlichkeit
und Freimütigkeit unseres National-
gefühles nicht günstig gewesen. Einst

— in einem großen Augenblicke —
wird die Sehnsucht des Volkes das
Nationallied üer neuen Zeit aus eines
Dichters und Tongewaltigen Herzen
holen."

Wer von uns überträgt das nicht
auch auf unser Vaterland und muß
dann sagen: es ist richtig? Wann wird
auch das deutsche wirkliche National-
lied geboren werden? Schließen wir
jedensalls mit einer herzlichen Bitte:
es setze sich um Gotteswillen keiner
hin und such' es nun anzufertigen!

K. G. Ls.

G Wie's gemacht rvird —

um mit bekannten Männern zu-
sammen genannt zu werden und so
ein Scheinchsn von Bedeutsamkeit zu
gewinnen, — daoon zeugt an einem
schönen Stücke die solgende Erklärung,
um deren Abdruck uns auch R. Dehmel
bittet: „Jch verwahre mich öffentlich
gegen die Mißbrauchung meines
Namens, die Herr Friedrich Benz sich
in dem Ausruf zur Ehrung Zolas
erlaubt hat. Jch habe die Beteiligung
an diesem Aufrus, durch den milde
Gaben zu einem silbernen Kranz ge-
sammelt werden sollen, telegraphisch
mit den Worten abgelehnt: „Grund-
sätzlich gegen Klingelbeutelei sür Tote"

— und Herr Bsnz hat dies Telegramm
erhalten. Trotzdem scheute er sich
nicht, meinen Namen sür das Komitee
zu benutzen und mir dann zu schreiben,
meine Antwort habe ihn >im Un-

klaren gelassen«, und der Aufruf habe
»schrecklich geeilt«. Jch stelle die Ent-
scheidung über die Unklarheit dem
öffentlichen Urteil anheim und be-
merke nur noch, daß ein Geist von
Zolas Beüeutung seinen Bewunderern
zu hoch stehen sollte sür eine so eil-
fertige und kümmerliche »Ehrung«."

Benz, der vielversprechende junge
Mann, hat übrigens Glück. Reden
tut man ja schließlich auch wegen der
Zola-Geschichte von ihm; serner soll's
Leute geben, die ihm glauben, daß er
ein Poet sei, was uns nach allen
Proben seines Schaffens noch ganz
und gar nicht gelungen ist; und jetzt
hat er gar einen Herrn gefunden, der
ihn in einer Weise vor den Staats-
anwalt bringt, daß jeder anständige
Mensch seine, Benzens Partei, nehmen
muß, und sei ihm Benz noch so un-
angenehm. Man stelle sich vor: Benz
schreibt an einen Redakteur einen üurch-
aus privaten Bries, kritisiert darin
einen Dritten und vergleicht dessen
Leistungen mit einer Kunstrede des
Kaisers so derb, daß nach dem Tat-
bestand eine Majestätsbeleidigung vor-
liegt. Der Adressat nun steht im Ver-
dacht, Mitarbeiter eines anarchistischen
Blattes zu sein, ist das auch, um
aber der Polizei zu zeigen, daß er's
ja doch unmöglich sein könne, denn
er sei ja ein so loyaler Mann — gibt
er ihr den mit „Lieber Freund" über-
schriebenen Brief Benzsns zu weiterer
Veranlassung! Der Edle heißt Karl
Hartmann und wohnt in Vraun-
schweig, wo es leider für solche Fälle
auch keine Prügel mit der Reitpeitsche
gibt. — Gegen Benz thaten's die
Richter aus Konto von Neurasthenie
und Morphium mit zwei Monaten
Festung milde, die Hälfte davon wird
er wohl später erlassen bekommen, die
andre mag die Reklame ihm wert sein
— ist's aber nicht an der Zeit, wenig-
stens rein private Briese als Material
sür Majestütsbeleidigungs - Prozesse
überhaupt auszuschließen?

82

Runstwart
 
Annotationen