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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1902)
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0146

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Uttd das Erschreckende in jener Herbheit, mit der ihre Grötze verbunden ist.
Jhre Grötze — auch bei unserm heutigen Blatte wird es vor allem der Ein-
üruck von Grotzenl sein, der bleibt. Wie harr scheint hier alles, wie beinah
„hätzlickst, beinah „roh", wie so ganz unliebenswürdig, wie wenig sinnenge-
sällig! Prometheus, den der Adler öes Zeus und Hermes als Götterschergen
hintragen übers Meer zu dem Marterfelsen, wo der Geier harrt . . . ach ja,
es ist wohl möglich, dah einer unsrer „Beliebten" auch diesen Stoff so nett
hergerichtet härte, wie etwa Thumann seine Nornen. Nur hätt' er ihn dann
ja nicht einpfinden dürfen! Keine Gefahr, er hütt' ihn ja auch nicht em-
psinden künnen! Was sich hier vor uns, hoch über dem Meere begiebt, hoch
über dem Hain, in dem wohl gestern noch der Tanz ums geraubte Feuer
jubelte, vor den Bergen, aus denen wie unendliche Trauerslore die Wolken
hinrauchen, das hat ein „fühlendes Auge" erschaut, das vor allem die Un-
erbittlich keit im Heldenschicksal ohne jedes Abmarkten und damit allein
wahrhaft tragisch empfand. Jm Zorn nichr gebrochen, hinnehmend jedoch,
was einmal ist, so er, dem der Lorbeer vom tzaupte sällt, starre Vollführer
des höchstens Willens die andern. Man vergleiche das Gegenstück dazu, das
wir unsern Lesern schon früher gezeigt, den befreiten Prometheus (Kw. XIV, r),
jenes Blatt mit der Feierstimmung eines Weltenauferstehens, und man wird
durch den Gegensatz vom Geiste Klingers noch tiefer berührt werden. Auch
üas heut wiedergegebene Blatt entstammt der von Amsler und Ruthardt in
Berlin verlegten Brahms-Phantasie.

5isinem hat Klinger seuriger gehuldigt, als Böcklin, dem er die auch
unsern Lesern bekannte gewaltige Radierung (Kw. XII, 2.z) gewidmet hat,
aber er ist nicht nur kein Nachahmer Böcklins, nein, seine Phantasie ist üer
des grotzen Schwsizsrs auch keineswegs sonderlich nahe verwandt. Was man
so unsre Phantasiemalerei zu nennen pslegt, ist ein seit Dürer bis in unsre
Tage hinein vereinsamtes Gebiet gewesen. Böcklin hat Tempel darin gebaut
von einer Heiligkeit und Pracht, wie keiner vor ihm, aber erstrebt, wo er ge-
konnt und geahnt, wo er erkannt und Hütten gestellt, wo er Paläste gemauert,
haben darin schon andere Deutsche ueben ihm. Kein Schwind, aber immerhin
einer, der nicht nur Statisten in die Landschaft setzte, sondern die Landschaft
selber zu beleben versuchte, war Karl Böh eim, gleich jenem ein Oesterreicher.
Die „tzasenjagd" aus der Schackschen Galerie in München, die wir heut mit-
gebev, zeigr in den beiden Satyrgestalten, wie weit es von Böheim bis zu
dem Zeitgenossen Böcklin noch ist. Der Hase aber ist in der „Unentwegtheit"
seiner F-lucht prächtig gesehen, und der Humor wird nicht zum auflösenden
Witze, autzer ihm rst eine starke und eigentümliche Naturstimmung in der Land-
schaft da, und diese Naturstimmung, und jener Humor mischen und ergänzen
sich, ohne daß ein Zerrbild draus würde. Ganz anderer Art ist dann wieder
des Schweizers Albert Welti Phantasiekunst. Die vornehmen Damen, ich
glaube, Kaisertöchter sind's, wohnten dort hinten in der Burg auf dem Albis-
kamm, da kam morgendlich, erzählt die Legende, ein Hirsch, der trug Lichter
aus dem Geweih und so leuchtete er ihnen den langen Weg herab zur Messe
ins Züricher Münster. Heuto sind sie schon weit (nicht sern von der Stelle,
meine ich, wo K. F. Meysr in Kilchberg wohnte), und so ist's schon hell, und
sie brauchen den Leuchter eigentlich nicht mehr. Frühmorgen, blaue Stunde.
Wie bescheiden unsre Wiedergabe ist, etwas lüßt sie wohl doch von all der
Hsrzlichkeit, der Sagen- und Tier- und Menschensreude, der Heimatliebe ahr.en,
die in dem köstlichen Originalbildchen lebt.

Die vier Jllustrationen gehören also zu Schultze-Naumburgs Aufsatz
über die Ausstellung für neue Frauentracht in Berlin. Aus den Gegenstand
dieses Aufsatzes und damit auf diese Bilder selbst, kommen wir noch einmal zurück.

Jm Anschlutz eine Bemerkung. Wir wsrden aus unserm Leserkreis heraus
ost gebeten, üen Ort anzugebsn, wo die im Kunstwart reproduzierten Bilder
sich befinden. Wir unterlassen das absr ohnehin nur in drei Fällen; erstens,
wenn sich's um Reproduktionen graphischer Kunstwerke handelt, die also in
vielen Exemplaren und zwar meist in jedem großen Kupserstichkabinette zu
finden sind. Zweitens, wenn die betreffenden Bildernoch auf üen Ausstellungen
hin und herziehen, also überhaupt noch kein bleibend Quartier haben. Drittens
wenn sie sich im Privatbesitze unzugänglich befinden. Handelt sich's um
besonders dringende Wünsche, so kann übrigens immer noch der Künstler be-
fragt werdsn, dessen jeweiligs Adresse jede größere Kunsthandlung denr
Fragenden vermittelt.

Berantwortl.: der Herausgeber Ferd. Avenartus m Dresden-Btatewitz. Mitredakteure: für Mufik:
Nr. Nichard Batka in Prag-Weinbergs, ftir bildende Kunst: Paul S ch ul tz e-N au rnbnrg
in Saaleck bei Kösen. — Sendungen ftir den Text an den Herausgeber, über Musik an Or. Batka.

Drnck und Berlag von Georg D. W. Lallwey tn München.
 
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