und hinüberspringt, als durchquere er eine Sumpfwiese, bei der er jeden
Augenblick von der Richtung abhupfen muß. Namentlich Goethe war
diese schwankende Unterhaltung bekanntlich ein Greuel. Auf andere Art
verstimmend wirkt der Eindruckmacher, der nach jedem Satz ein wenig
aufhorcht, ob sich kein Oh und Ah rege. Besteht die Gesellschaft sast
ganz aus dieser Klasse, und das ist gar nicht so selten der Fall, dann
ist es, wie wenn die Klowns ihr Kopsstehen üben. Damit, daß ich
Eindruck machen will, entferne ich ja die andern, statt mich ihnen zu
nähern. Ein Gespräch solcher Gernegroße verdiente mit Trompeten ge-
führt zu werden. Trefflich schildert Fritz Reuter den Pomukelskopp; der
sah den däglichen Umgang sör en bloten Goren an, wo hei sine Prahl-
bohnen planten kunn. Unleidlich dann ist der berussmäßige Uebertreiber,
der immer Superlative braucht. Dieses Gemälde — aber scheußlich!
Jenes Lied — einfach wunderbar, nichtd Aus Spitzen kann man nichts
mehr hinaufsetzen: häufig steckt hinter dem Superlativ-Manne wieder
die Jmponiererei, die dem andern das Wort unmöglich machen will.
Häufig auch nur eine Art Phantasie-Uebernährung bei Verstandesschwäche,
der Mann sieht nur eine Seite, die aber wird ihm zum Ganzen. Auch
der langstielige Prediger ist ein ärgerlicher Geselle. Man fragt ihn,
warum ihm Wagner gesalle, und nun süngt er an, erstens, zweitens,
drittens, zieht Gluck und 'Beethoven, Dürer und Leonardo herbei und
endet mit dem jüngsten Gericht. Anstatt einen Gedanken zu bekommen,
der sofort mit Lebhaftigkeit umsprochen werden kann, sind die Anwesenden
zum Lauschen verurteilt, gleichviel, ob sie's hören mögen oder nicht. Liest
man Bücher, so sucht man sie doch selber aus. Fürchterliche Knaben
sind schließlich der Anekdotenfischer und der Fachsimpler. Gegen ge-
legentliche Erzählungen witziger Vorfälle ist nichts einzuwenden, obgleich
Kunst dazu gehört, ordentlich zu erzühlen. Die Gesellschaft in einen
Strudel sader Witze zu stürzen, in dem sich jeder umdrehen muß, das
jedoch ist etwas anderes, und es ist unverantwortlich. Und was soll
die Fachsimpelei? Jch wills nicht wissen, nur glauben, was der Mann
kann, weiß und ist. Anders wäre es, wenn er mir ein kurzes auf-
klärendes Wort über gewisse Aufgaben und Ersahrungen seines Beruss
böte. Wie viel Anregung könnten die verschiedenenen Beruse einander
vermitteln. Aber sie wollen sich nicht anregen, sie wollen einander über-
wültigen, als wäre jeder eine Spinne, der die Fliegen ringsum ein-
wickeln müßte in seinem Netz, bis sie totenstill halten.
Die Kunst der Unterhaltung ist ein Teil der Lebenskunst. Mit
dieser liegt auch jene unter der Hast und dem Lärm des heutigen Lebens
wie unter Schutt begraben. Und doch ist es eine herrliche Sache um
den geistigen Verkehr. Er gleicht dem Regen, der den Samen der Ein-
samkeit begießt, oft auch dem Sümann selbst, der uns anvertraut, was
wir weiter hegen und pslegen. Jm Verkehr beleben sich die Gedanken,
die manchem Einsamen erstarren; bilden und berichtigen sich Anschau-
ungen und Begriffe; der Hochmütige wird gedemütigt, der Verzagte auf-
gemuntert. Es gibt gar nichts, worüber die Menschen nicht vernünstig
miteinander sprechen könnten, auch nichts Schmerzliches, was ausge-
sprochen nicht wenigstens die ärgste Spitze des Stachels verlöre. Der
Dichter teilt sein Leid im Gedichte mit, der Philosoph klärt seine Ge-
danken, indem er sie andern vortrügt. Platons Dialoge, die peripate-
^02
Aunstwart
Augenblick von der Richtung abhupfen muß. Namentlich Goethe war
diese schwankende Unterhaltung bekanntlich ein Greuel. Auf andere Art
verstimmend wirkt der Eindruckmacher, der nach jedem Satz ein wenig
aufhorcht, ob sich kein Oh und Ah rege. Besteht die Gesellschaft sast
ganz aus dieser Klasse, und das ist gar nicht so selten der Fall, dann
ist es, wie wenn die Klowns ihr Kopsstehen üben. Damit, daß ich
Eindruck machen will, entferne ich ja die andern, statt mich ihnen zu
nähern. Ein Gespräch solcher Gernegroße verdiente mit Trompeten ge-
führt zu werden. Trefflich schildert Fritz Reuter den Pomukelskopp; der
sah den däglichen Umgang sör en bloten Goren an, wo hei sine Prahl-
bohnen planten kunn. Unleidlich dann ist der berussmäßige Uebertreiber,
der immer Superlative braucht. Dieses Gemälde — aber scheußlich!
Jenes Lied — einfach wunderbar, nichtd Aus Spitzen kann man nichts
mehr hinaufsetzen: häufig steckt hinter dem Superlativ-Manne wieder
die Jmponiererei, die dem andern das Wort unmöglich machen will.
Häufig auch nur eine Art Phantasie-Uebernährung bei Verstandesschwäche,
der Mann sieht nur eine Seite, die aber wird ihm zum Ganzen. Auch
der langstielige Prediger ist ein ärgerlicher Geselle. Man fragt ihn,
warum ihm Wagner gesalle, und nun süngt er an, erstens, zweitens,
drittens, zieht Gluck und 'Beethoven, Dürer und Leonardo herbei und
endet mit dem jüngsten Gericht. Anstatt einen Gedanken zu bekommen,
der sofort mit Lebhaftigkeit umsprochen werden kann, sind die Anwesenden
zum Lauschen verurteilt, gleichviel, ob sie's hören mögen oder nicht. Liest
man Bücher, so sucht man sie doch selber aus. Fürchterliche Knaben
sind schließlich der Anekdotenfischer und der Fachsimpler. Gegen ge-
legentliche Erzählungen witziger Vorfälle ist nichts einzuwenden, obgleich
Kunst dazu gehört, ordentlich zu erzühlen. Die Gesellschaft in einen
Strudel sader Witze zu stürzen, in dem sich jeder umdrehen muß, das
jedoch ist etwas anderes, und es ist unverantwortlich. Und was soll
die Fachsimpelei? Jch wills nicht wissen, nur glauben, was der Mann
kann, weiß und ist. Anders wäre es, wenn er mir ein kurzes auf-
klärendes Wort über gewisse Aufgaben und Ersahrungen seines Beruss
böte. Wie viel Anregung könnten die verschiedenenen Beruse einander
vermitteln. Aber sie wollen sich nicht anregen, sie wollen einander über-
wültigen, als wäre jeder eine Spinne, der die Fliegen ringsum ein-
wickeln müßte in seinem Netz, bis sie totenstill halten.
Die Kunst der Unterhaltung ist ein Teil der Lebenskunst. Mit
dieser liegt auch jene unter der Hast und dem Lärm des heutigen Lebens
wie unter Schutt begraben. Und doch ist es eine herrliche Sache um
den geistigen Verkehr. Er gleicht dem Regen, der den Samen der Ein-
samkeit begießt, oft auch dem Sümann selbst, der uns anvertraut, was
wir weiter hegen und pslegen. Jm Verkehr beleben sich die Gedanken,
die manchem Einsamen erstarren; bilden und berichtigen sich Anschau-
ungen und Begriffe; der Hochmütige wird gedemütigt, der Verzagte auf-
gemuntert. Es gibt gar nichts, worüber die Menschen nicht vernünstig
miteinander sprechen könnten, auch nichts Schmerzliches, was ausge-
sprochen nicht wenigstens die ärgste Spitze des Stachels verlöre. Der
Dichter teilt sein Leid im Gedichte mit, der Philosoph klärt seine Ge-
danken, indem er sie andern vortrügt. Platons Dialoge, die peripate-
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