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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

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Heft 4 (2. Novemberheft 1902)
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Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunsthandwerks für 1903, [6]: Länder- und völkerkunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0320

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vor, er führt uns von Polynesien über Ansstralien, Jndien, Lhina, Mittelasien und
Sibirien schließlich zum Kaukasus. Wer als Reisender und Entdecker jetzt uoch Neues
bringen will, muß seiue Arbeit vertiefen und ihr wenigstens in irgend einem Sinne
eiue wissenschaftliche Grundlage geben, oder er muß den leichteu Plauderton des Jour-
nalisten auschlagen uud durch die Art der Darstellung die Leser gewinnen. Von dieser
letzten Art, die man freilich uicht zu genau unter die Lupe der Wissenschaft nehmen
darf, sind die Plaudereien des verstorbeneu Otto Ehlers in seinem Büchlein über Sam o a,
oder die anspruchsvoller auftretenden, aber oft recht seichteu Reiseichilderungen Hesse-
Warteggs, der sich übrigens immerhin durch ein Buch iiber Deutsch-Chiua einige
Verdienste erworben hat. Wie sich ein armer Journalist im fremdem Lande durch-
schlägt, schildert recht ausprechend das kleine Buch Lehmanns „Auf australischer Erde"l
Für die wissenschaftlich ernste und dabei doch volkstümliche Darstellung bleibt dagegeu
noch immer das Buch Karls von der Steinen „Unter den Naturvölkern Zentral-
Brasiliens" mustergültig. Von ähnlichem Werte ist das Werk Sven Hedins „Durch
Asiens Wüsten", dem sich als deutsche Parallele jetzt das Werk Karl Futterers „Durch
Asien" anschließt. Jm übrigen überwiegen unter deu besseren Erscheinungen die Schil-
derungen kleinerer Gebiete; Südindien und Ceylon hat Emil Schmidt behandelt,
Ceylou auch Geiger. Hagens Werk „Unter den Papuas" ist dem deutschen Neuguinea
gewidmet, ein Buch Fischers der Jnscl Formosa; dem Geistesleben der Jndier sucht
Hübbe-Schleiden vom theosophischen Standpunkt aus in seiner Schrift „Jndien und
die Jndier" gerecht zu werden. Es fehlt auch nicht an Büchern, die auf der Grenze
zwischen leichter Reiseschilderung und wissenschaftlichem Ernste stehen, wie Selenkas
„Sounige Welten", die Jndonesien und Japau behandeln, A. Pflügers „Smaragd-
inseln der Südsee", H. Götz' „Eiue Orientreise", EugenWolfs „Jm Jnnern
Chinas", oder das Buch von Fritz und Else Rinne, „Kasana, Kamari, eine Celebes-
sahrt". Mit besondereu Ehren ist Cäcilie Selers „Aus alten Wegen in Mexiko
und Guatemala" zu nenneu, nicht minder Ernst Häckels Reisebericht „Aus Jnsu-
linde", den auch wissenschaftliche Gegner des streitbaren Monisteu mit Genuß lesen
werden. Die Tropenfahrt eines jüngstdeutscheu Dichters schildert P. Remers Büchlein
„Unter frem der Soune". Recht lesenswert in anderem Sinne ist das Buch Oswald
Kuuhardts „Wanderjahre eines juugen Hamburger Kaufmanns"; nämlich zum
Einblick in das Leben eines sonst schweigsamen Swndes, dessen Tun und Treiben
doch eng genug mit dem Aufschwung Deutschlands verknüpft ist. Egon Kuhnhardt
hat ein Buch unter gleichem Titel folgen lassen. Eine „Künstlerfahrt durch den
indischen Archipel" schildert seuilletonistisch mit Worten und luxuriös vervielfältigten
Bildern das Prachtwerk von Hugo V. Pedersen. Ein prächtiges Bild aus der
heroischen Zeit Deutsch-Südwestafrikas entwirft Schwabe in seinem „Mit Schwert und
Pflug durch Deutsch-Südwestafrika", und eine kaum weniger bewegte Zeit in
einem anderen deutschen Schutzgebiete, Kamerun, schilsert H. Domiuik in seinem Buch
„Sechs Kriegs- und Friedensjahre in deutschen Tropen". Mit Ehren sind
hier auch die älteren Werke, Stuhlmanns „Mit Emin Pascha im Herzen von
Afrika", Passarges „Adamaua", Graf Goetzens „Durch Afrika von Ost nach
West" zu nennen. Auch eine deutsche Prinzessin, Therese von Bayern, erscheint unter
den Schriftstellern mit dem gut geschriebeneu Buche „Meine Reise in den brasilianischen
Tropen". Dasselbe Land beyandelt der Zoolog O. Bürger in den „Reisen eines
Natursorschers im tropischen Urwald". Hans Meyers prächtiges Buch „D er
Kilimandscharo" ist der seltenen Abart des afrikanischen Alpensports gewidmet,
Curt Boecks „Jndische Gletscherfahrten" führen uns zum Hiuralaja; beide
Werke sind zugleich von wissenschaftlichem Werte. Dasselbe gilt von dem Werke
de Filippis „Die Forschungsreise des Herzogs der Abruzzen nach dem
Eliasberge". Einen nock weiteren Uniblick gewährt das Buch R. v. Lendenfelds
„Die Hochgebirge der Erde". Oberländers „Durch norwegische Jagd-
gründe" und das kleine Buch Bronsarts v. Schellendorf „Tierbeobachtungen und
Jagdgeschichten aus Ostafrika" dieneu besonders der Freude am Waidwerk.

Ein ganz anderes Bild tut sich auf, wenn wir fragen, ob das Zeitalter der
WeltpoUtik sich in der länderkundlichen Literatur widerspiegele! Eine Flut von Broschüren
quillt uns da verwirrend entgegen, aber auch größere und vor allem bessere Erzeug-
nisse erscheinen bereits in diesem Wirbel. Ratzels „Politische Geographie" hat
einen wackeren Seitensprößling getrieben in dem Büchiein „Das Meer als Quelle
der Völkergröße." Vortreff'lich ist Steffens „England als Weltmacht und
Kulturstaat", während Eduard Hahn in seiner „Wirtschaft derWelt am Aus-
gange des 19. Jahrhunderts" seiner Zeit einen warnenden, wohl etwas zu

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