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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1902)
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Avenarius, Ferdinand: Literarischer Ratgeber des Kunsthandwerks für 1903, [9]: Philosophie und Psychologie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0345

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händler bedarf, sei verwiesen auf die billigen Ausgaben (teilweise in Uebersetzungen)
der „Philosophischen Bibliothek" und von Reclain, serner auf einige Einzel-
darstellungen in Frommanns „Klassiker der Philosophie" und auf Kuno Fischers
„Geschichte der neueren Philosophie" in Einzeldarstellungen von Descartes bis Hegel. —
Vieie Autoren, die allgemein unter dem Namen Philosophen bekannt sind und deren
Bedeutung als Denker und als Zeitgenossen außerordentlich hoch zu veranschlagen ist,
haben richtiger ihren Platz unter den Dichlern, so Nietzsche (Hauptwerke „Mensch-
liches Allzumenschliches" und „Alio sprach Zarathustra"; zur Einführung in die
Leklüre das Buch von Riehl in „Frommanns Klassiker"), Stirner („Der Einzige
und sein Eigentum), Tolstoi, G. Th. Fechner als Metaphhsiker („idinnnu oder über
das Seelenleben der Pflanzen", „Zend-Avesta oder über die Dinge des Himmels
und des Jenseits").

An philosophischen Werken, die unsern obengenannten nwdernen Anforderungen
in der Tat oder der Absicht nach entsprechen, empfehlen wir: Hermann Lotzes
populär geschriebenen „Mikrokosmos, Jdeen zur Naturgeschichte und Geschichte der
Menschheil", Withelm Wundts „System der Philosophie", Wilhelm Ostwald«,
des Physiko-Chemikers, anregende „Vorlksungen über Nanrrphilosophie", Ratzenhofers
„Positiver Monismus" und Richard Avenarius, „Kritik dec reinen Ersahrung",
sowie als Einführung iu dieses nicht leicht verständliche Buch eine bisher nur zur
Hälsle erschienene Arbeit vou Jos. Petzold: in zweiter Linie die in ihren Ausgangs-
punkten allecdings siark anfechtbaren Werke von Eugen Dühring „Kursus der Philo-
sophie als streug wissenschaftliche Weltanschauung und Lebensgestaltung", von Herbert
Spencer „System der synthetischen Philosophie", schließlich die „Philosophie des
Unbewußten" von Eduard von Hartmann. Hartmann hat sich übrigens durch
manche seiner zahlreichen Werke, so durch die „Kategorienlehre", um die Philosophie
sehr verdient gemacht; über die Gesamlheit der Hartmannschen Lehre unterrichtet
Drews,„Ed. v. Hartmanns philosophisches System im Grundnß". Haeckels „Welt-
rätsel" sind sür naive Leser verdecblich, trotz mancher vorzüglicher Einzelbemerkungen.
Anregende Essays geben Liebmann „Zur Analysis der Wirklichkeit"; Sigwari,
„Kleine Schriften"; Kurd Laßwitz, „Wirklichkeiten": Zellers „Vorträge und
Abhandlungen"; Kuno Fischers „Kleine Schriftchen": Paulsens „?hi1o8opüm
rnilituns" (e>ne Sammlung von Kritiken zu Gunsten freier Forschung gegenüber
„katholischer Philvsophie" und des Jdealismus gegen Haeckelschen Naturalismus: am
besten ist der auch besouders käufliche Aufsatz „Kant, der Philosvph des Protestantis-
mus"), Wundts „Essays".

Die Formen, Normen und den Erkenntniswert der geistigen Arbeit überhaupt
und der wissenschaftlichen im besonderen sindet man kurz und leicht verständlich bei
Th. Lipps „Logik", auch bei Th. Elsenhans „Psychologie und Logik" (Sammlung
Göschen). Große Arbeiten, die zugleich eine Art Enzyklopädie aller Wissenschaften
unter dem Gesichtspunkte des Ursprungs und Erkenntniswertes ihrer Leistungen bieten,
sind die „Logik" von Sigwart und „Logik uud Methodenlehre" von Wundt. Die
genannten Werke sind durcbaus nicht Summen toter Formeln, wie man es ihnen rn
Erinnerung an die mit Recht verrufenen scholastischen Klügeleien unter dem Titel
„Logik" wohl zutraut, soudern mindesteus ebenso lebendig wie jegliches andere rein
wissenschaftliche Werk.

Natnrphilosophie im besonderen, also reichhaltigere Erörterungen dieses
Themas, als sie im System der Philosophie einerseits und in den zusammenfassenden
Darslkllungen der einzelnen Naturwissenschaften, namentlich in der Litteratur zur
Deszendenztheorie andererseits geboten werden, gibt Dührings treffliche „Kritische
Geschichte der allgemeinen Prinzipien der Mechanik" und Reinkes „Einleitung in die
theoretische Biologie".

Philosophie der geistigen Erzeugnisse und der sozialogischen Er-
scheinungen: L. Stein, ,/Diesoziale Frage im Lichte der Philosophie"; Paul Barth.
„Philosophie der Geschichte als Soziologie" (1. Bd.Z Spencer, „Einleitnng in das
Studium der Soziologie"; G. Simmel, „Die Probleme der Geschichtsphilosophie":
Achelis, „Soziologie": v. Jhering, „Der Zweck im Recht"; Felix Dahn, „Rechts-
philosophische Studien"; A. Bozi, „Die natürlichen Grundlagen des Strafrechts" ;
Steinthal, „Der Ursprung der Sprache im Zusammenhauge mtt den letzten Fragen
allen Wissens"; Herm. Paul, „Prinzipien der Sprachgeschichte".

Philosophie der Wertungen im besonderen. Kreibig, „Psychologische
Grundlegung eines Systems der Wernheorie"; Simmel, „Philosophie des Geldes";
Eucken, „Der Wahrheitsgehalt der Religion"; Paulsen, „Systcm der Elhik", Ziegler,

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