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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1903)
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Avenarius, Ferdinand: Naturprodukt und Kunstwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0526

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Reratung über Kunstdinge mitzusprecheu. Es ist ihm auch gar kein Vor-
wurf daraus zu machen — was man nicht kennt, vermißt man eben
nicht. Und tausend andere reden ja auch über Kunst, halten sich für
Kunstfreunde und interessieren sich wirklich für Kunstwerke, ohne für das
Wesentliche am Kunstwerke, also sür das eigentlich Künstlerische ein
Gesühl zu haben. Wär' es anders Möglich, daß sich Bilder in allge-
meiner Beliebtheit hielten, die dieses Künstlerischen vollkommen entbehren,
wären anders auch all die üblichen.Farbendrucke und sonstigen „Wand-
schmuck^-Bilder, würen unsere illustrierten Familienblätter so möglich,
wie sie sind? Wir reden, betonen wir's, nicht vom Kunstverständnisse,
sondern vom Kunstgefühl! Auch mit dem Verstande können wir ja
manches aus Bildern entnehmen oder an ihnen prüfen: wie dies und
jenes aussieht oder wie's da oder dort aussieht, was sür Trachten
man dann oder dann trug, wie dies oder jenes Ereignis geschah — oder
auch: was für Farben ein Maler anwandte, wie er im Raum kom-
ponierte, wie er beeinflußt ward oder beeinslußte. Das Beste aber, was
mir ein Kunstwerk geben kann, eben das eigentlich Künstlerische, das
nur ein Kunstwerk und gar nichts anderes auf der Welt vermitteln
kann, das kann ich nur erfühlen und erschauen, weil es selber nur
ein Fühlen und Erschauen ist. Und wenn es der leidenschaftlichste
Naturalist gemacht hat, es ist doch nicht blos Spiegelbild der Wirklich-
keit. Denn auf dem Wege von Draußen durchs Auge ins Gehirn und
durch die Hand wieder hinaus muß die Welt von ihm umgearbeitet,
umgeschaut werden, ob er's will oder nicht.

Vor kurzem ist ein neues Buch erschienen: „Naturprodukt
und Kunstwerk, vergleichende Bilder zum Verständnis des künstlerischen
Schasfens" von Ludwig Volkmann.* Auch dieses Werk benutzt die neue
Methode vergleichender Bilderbetrachtung; an einer Reihe von Beispielen,
die mit Lichtdrucken vorgesührt werden, bespricht es den Unterschied
von Wirklichkeits- und Kunstwerk. Wir möchten die Verbreitung dieses
Buches fördern. Deshalb verweilen wir nicht bei seinen allgemeinen
Betrachtungen, was leicht den Anschein erwecken könnte, als suchten
auch wir diese Fragen schon annähernd zu erschöpfen, das Lesen des
Buches also überslüssig zu machen. Wir haben vielmehr eine Anzahl
der Bilder, die es bringt, meist nach den eben dort verwendeten Vor-
lagen für unsere Technik neu reproduzieren lassen, geben sie aus den
Beilagen im Anhange unsern Lesern mit und bitten, diese Beispiele nun
zu betrachten. An Stelle von Volkmanns aussührlicher Besprechung
aber geben wir jedem Bilderpaare nur einige hindeutende Sätze mit.

Beginnen wir mit Schultze-Naumburgs dekorativer Land-
schast, weil Schultze, wie von den Größten Böcklin, überhaupt nicht nach
der Wirklichkeit malt, so daß die geistige Verarbeitung bei seinen Bildern
besonders deutlich wird. Das Motiv zeigt eine Straße bei Rom, so,
wie die photographische Platte sie zeichnet. „Jrgend ein Stück einer
Gegend/ schreibt Schultze einmal über seine Art zu arbeiten, „regt
zu einem Bilde an. Man möchte dem Stimmungsgehalt, den man
insolge der momentanen eigenen seelischen Disposition in die land-
schastliche Umgebung hineingebracht, bleibende Form verleihen. Man

* Jm Verlage von Gerhard Kühtmann in Dresden.

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Knnstrvart
 
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