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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,1.1902-1903

DOI issue:
Heft 8 (2. Januarheft 1903)
DOI article:
Bonus, Arthur: Begeisterungsreden
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https://doi.org/10.11588/diglit.7615#0584

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Massen an Waffen und Krästen auf möglichst kleinem Raum. Solche
Burgen stehen allein in der weiten Ebene, einsam und selten. Hier
sind sie wie die künstlichen Felsen und Burgen in einem schlechten Park
nebeneinandergesetzt, inhaltlos, zwecklos — Zierstücke.

-k-

Der natürliche Redner spricht zu einer Versammlung, die zu-
sammengekommen ist, um etwas zu hören, und der er etwas mitteilen
will. Der Begeisterungsredner will glänzen, und die Versammlung will
,,seiern". Jnhalt und Charakter der Veranlassung ist dabei ziemlich
gleichgiltig.

Nun entsteht in dieser Lage der Dinge die Frage: Muß man mit
Reden seiern, die nichts mitzuteilen haben? Aber selbst der Festredner-
jargon giebt das nicht zu. Man will sich vielmehr „der Bedeutung des
Tages bewußt werden". Das wäre ja nun eigentlich ein recht be-
deutender Jnhalt, salls der Tag darnach ist. Denn die Bedeutung eines
Ereignisses oder einer Person wird irgendwie mit der Art und Weise
zu tun haben, in der das Ereignis oder die Person des Tages mit
der inneren Wirklichkeit der Dinge zusammenhängt. Da das nun bei
jeder Tatsache oder Person auf die mannigsachste Art der Fall ist, so
wäre schon etwas da, es mitzuteilen; nur müßte der Redner es selbst
wissen und gesehen haben. Und dabei wäre dann gleich etwas anderes
klar. Wenn die Bedeutung einer Person ihre innere Wirklichkeit ist, so
ist das allein schon ein Ziel der Rede, das äußerste Redlichkeit und
Wahrhastigkeit, das Gegenteil also von Maskierung gebietet. Einfach
weil sonst der Eindruck überhaupt einer Wirklichkeit, geschweige einer
inneren Wirklichkeit gar nicht zustande kommt. Hierfür hat man
— soweit sich beobachten läßt — überhaupt kein Gesühl mehr;
das ist das Bedenkliche. Das „Wesen", die „Bedeutung", der Sinn,
kurz eben, die eigentliche Wirklichkeit der Dinge und Bewegungen
müßte sür den, der ein Gefühl dafür hätte, etwas sein, das eine ge-
wisse Scheu verlangt, eine verstärkte Zurückhaltung und Bescheidenheit.
Es ist aber in unserem täglichen, besonders auch sesttäglichen Leben
genau umgekehrt das, womit man es nicht so genau nimmt, das,
wovon eine Handvoll mehr oder weniger nichts ausmacht.

Und nun meine ich, daß man ein krasseres Zeichen sür Unkultur
mit aller Gewalt nicht erdenken kann, als es dieses ist: daß ein Volk
das, was es ernst zu nehmen und heilig zu halten vorgiebt, für so
billig erachtet. Deshalb bleibt es dabei: unsere Hosfnung ist, daß
unser Zustand noch nicht Kultur bedeutet, sonst sind wir verloren.

Vielleicht aber verrüt uns dieses krasseste Zeichen unserer Unkultur
auch ihr eigentliches Wesen. Kennen wir nicht alle sehr gut aus eigener
langer Ersahrung den Zustand eines Menschen, sür den die Ausdrücke
hoher Gesühle, edler Gesinnungen, schöner Anschauungen, kurzum wesent-
licher Beziehungen der geistigen Wirklichkeit etwas waren, das er billig
hergab, je nach Thema? Wir konnten es, denn wir hatten es billig
erworben. Den immer neuen Zumutungen entsprechend, hatten wir
ganze Heste gefüllt mit Wendungen und Sätzen, in denen besonders
packende Anschauungsbilder, besonders edle Gesinnungen, besonders geist-
reiche Gedankengänge sich ausgedrückt hatten. ^1p>S8 conoiäant! Mögen
die Alpen zusammenfallen! Wirkannten keinen Berg,der höher gewesen wäre

^^2

Aunstwart
 
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