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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 14 (2. Aprilheft1903)
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0129

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Jn dieses Bismarcks erste Glanzperiode führt unser zweites Bild
Johann Peter Hasenclevers ^Zeitungsleser", das gemalt worden
ist und jetzt in der Berliner Nationalgalerie hängt. Malerisch erweist es für
die damalige Zeit sehr respektable Eigenschaftcn, uns Heutige aber interessiert
es doch wohl noch mehr durch die gar nicht auf-, und doch rccht eindringliche
seelische Charakteristik dieser Gesellschaft, in der wir des seligen hohen Bundes-
rates weileres Publikum belauschen. Man gebe sich nur etwas länger mil den
einzelnen Herren ab, sie stellen sich einem dann ganz von selber vor, und von
einem znm andern dehnen sich Fäden über den runden Tisch, aus denen dann
unter allgemeiner Betrachtung die Spinne Politik ihre geheimnisvollen und
leider von Herrn von Bismarck so wenig bewunderten Netze spinnt. Man
hat der Malerei jener Zeit nachgesagt, sie habe nur durch Anekdotisches seelisch
charakterisieren wollen. Hier ist einmal gar nichts Anekdotisches dabei, es ist
Monschenschilderung ohne jede kunstfremde Zutat.

Vom „Ältmodischen" zum ^Modernen": es folgen zwsi Kinderbildnisse,
eins von Ludwig von Zumbuich, das andre von Julius Exter. Das
von Zambusch gehört für mich zu den „frappantesten" Kinderbildnissen, die ich
kenne. Schon wie der kleine Kerl mit seinem Balle steht, ist das nicht ganz
merkwürdig wahr geschaut? Seins unzweifelhaft dicken Beinlein sieht man nicht,
und doch ist des ganzen Körperchens Haltung mit seiner Unsicheiheit, die doch
schon was wagt, dieweil das Purzeln nicht tief geht, unübertrefflich gut bc-
obachlet und erfaßt. Dazu das Gesicht mit seiner Schelmenlustigkeit und
doch schon angestrengt im Beobachten — das heißt wirklich des Kindes Seele
schildern. Und das ist das beste: schildern ohne die geringste Zutat der
Sentiment alität, an der unsre Kindecsch lücrungen so sehr leicht leiden,
ob sie nun gemalt oder gedichtet sind. Malerisch ist dabei alles grotzzügig und
kräftig. Exter geht mehr nach dem Jmpressionistischen hin; das Kind ist viel-
mehr als reine Augenerscheinung erfahl; von den besten Eigenschaften dieses
Bildes, den rein malerischen, ist bei unsrer fnrblosen Reproduktion leider auch
noch mehr als bei Zumbuschs Werke verloren gegangen. Aber auch hier be-
gegnen die Beschauer dem dort gerühmten Zuge, das Kind als Kind und es
ganz als das besondre Persönchen zu erfassen, das es immcihin ist. Die ähn-
liche Situation der beiden läßt beim Vergleichen ihre Verschiedenheit wie das
ihnen als Kindern Gemeinsame besonders hübsch heroortreten. Möchien die
beiden Geschöpflein ein wenig mithelfen, den Geschmack an Baby-Zuckerwerk
zu verleiden.

Lerantwortl.: der Herausgeber Ferd. Avenartusln DreSden-Blalewty. Mtlredakteure: für Mufik:
vr. Richard Batka tn Prag-Wetnberge, für bildende .fiunft: Paul S chul y e-N au mburg
tn Saaleck bet Kösen. — Sendungen für den Text an den HerauSgeber, über Mufik an vr. Barka.

Druck imd Bcrlag vou Georg D. W. Lallwey to München.

Befiellungen, Anzetgcn und Geldsendungen an den Berlag Georg D. W. Tallwev tn Mfinchcn.
 
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