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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 22 (2. Augustheft 1903)
DOI Artikel:
Henrici, Karl: Stadt- und Straßenbild im Mittelalter und in der Neuzeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0554

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8taät- uncl 8trahenbilcl im 1>Iittelalter unä in cter

l^euLeit.

Jrrtümlich wird noch immer das, was wir an malerischer Schön-
heit in den mittelalterlichen Städteanlagen bewundern, von vielen
Leuten dem Zufall zugcschrieben, dem „Niederschlage der Jahrhun-
derte", der im allmählichen Werdegang der Städte die wechselvollen
Merkmale der aufeinander folgenden Zeiten und Geschlechter in bunter
Reihe unbewußt aneinander gefügt haben soll. Jrrtümlich wird auch
von vielen das Malerische in der Architektur ansschließlich in einer
Verstärkung der Kontraste, in der Vermeidung einförmiger, gedehnter
gleichartiger Formen, und in dem Wechsel und der lebhaften Bewegung
der Umrisse gesucht, also in Eigcnschaften, die in der mittelalter-
lichen Baukunst besonders lebhaft hervortraten.

Aber ebenso wie das Auge die Natur zu verschiedenen Zeiten und
bei den verschiedenen Völkern ungemein verschieden zu sehen und zu
genießen verstand, ist auch die Auffassung malerischer Architektur dem
Wechsel unterworfen gewesen, ohne daß man sagen könnte, die eine
Auffassung habe mehr Berechtigung als die andere. Jn einer seincr
Kulturstudien, betitelt „Das landschaftliche Auge", schildert Riehl in
anschaulicher Wcise die verschiedenen Geschmacksrichtungen in den ver-
schiedenen Zeiten. Er erzählt:

„Während bis ins 17. Jahrhundert hinein die Romantik des
Mittelalters herrschte, und die wilde Gebirgsnatur mit ihren engen
steilen Berggründen, ungezähmten Wildbächen und unwegsamen Wäl-
dern als das malerisch Schöne gesucht und in Bildern dargestellt
wurde, erblickt das landschaftliche Auge des 18. Jahrhunderts in jenen
Bergen und Wäldern nur Oede und Wüste, unfreundliche Gegend,
in der nichts alsLaub und Gras wachse. Man gab der Ebene
den Vorzug nnd brachte der Landschaft durch gradlinige und krets-
förmige Anpflanzung mit der Schere zugeschnittener Bäume male-
rische Raison bei."

Nun, von diesem gedrechselten Landschaftsideal ist unsre Zeit
wieder zurückgekommen und huldigt wieder mehr dem romantischen;

-^zz

2. Augusthcft ;9oz
 
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