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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft1903)
DOI Artikel:
Schäfer, Otto: Die ersten Elemente musikalischer Schönheit
DOI Artikel:
Obrist, Hermann: Neue Möglichkeiten in der bildenden Kunst, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0087

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deutlicher, weil die Aufmerksamkeit stärker gespannt ist. Folgen die
Töne zu schnell aufeinander, so verwischen sich die Eindrücke, folgen
sie zu langsam, so füllt man leicht unwillkürlich die Zwischenzeiten
mit fremden Gedanken aus. Jntervalle von zwei Sekunden bis zu
einer Viertelsekunde herab sind die günstigsten. Ein komplizierter Rhyth-
mus gibt nun nie lauter gleiche, sondern abwechselnd mit vollkom-
menen schwächere Lösungen, dem Wechsel der betonten und unbetonten
Taktteile entsprechend. Dadurch wird die Gesamtwirkung gesteigert
— und jetzt gilt wieder das Gesetz, daß man zu verwickelteren Formen
übergeht, um der Abstumpfung dcr Sinne entgegenzuwirken. Aber
auch der raffinierteste Rhythmus kann keine anderen Gefühle erregen,
als die der Spannung und Lösung.

Worin be'steht nun die Schönheit des Rhythmus? Zunächst
einmal — eine selbständige Schönheit besitzt der Rhythmus gar nicht;
für sich allein ist er als Kunstwerk undenkbar, während eine Har-
monieenfolge ohne irgendwie erkennbaren Rhythmus sehr wohl schön
sein kann. Auch beim Tanz ist Melodie unbedingt nötig. Damit
löst sich nun die Frage nach dieser Schönheit sehr leicht. Der Rhythmus
darf den Wirkungen der Harmonie nicht entgegenarbeiten, er muß
solche Spannung und Lösung ergeben, wie sie die Melodie verlangt.
Wir kommen wieder auf das zuerst aufgestellte Gesetz. Wenn sich
Rhythmus und Harmonie gegenseitig stören würden, so bekämen wir
ja eine geringe Wirkung trotz grotzer Mittel; und das widerspricht
der Zweckmäßigkeit, also auch der Schönheit. Aus Rhythmus und
Harmonie baut sich aber die Musik auf; die Melodie kann im Kreise
dieser Betrachtungen nicht als drittcs Element gelten. Sie ist eine
Harmonie, deren Töne nacheinander erklingen und durch Zwischen-
töne unterbrochen werden, welche den Eintritt der Auflösung hinaus-
schieben sollen. Ueber die Folge der Akkorde mag eine Andeutung
genügen: um dcn Grundton zu vertreten, wenn Abwechslung ein-
treten soll, ist der Ton am geeignetsten, der jenem innerlich am
nächsten steht, der das einfachste Verhältnis der Schwingungszahlen
hat, die Quinte. Ein „Springen mit allen Stimmen" ist unschön,
weil ja die gerade erregten Schwingungen zerstört und durch andere
ersetzt werden müssen, was einen unnötigen Kraftaufwand erfordert,
da ja eine Veränderung des Akkordes durch eine oder zwei Stimmen
genügen würde. Auf diese Punkte weiter einzugehen, bleibt aber
füglich der Harmonielehre überlassen. Vtto Schäfer.

s^eue Möglickkeilen in cker bilckenäen Runsl.

(Schlutz.)

Nun wird mir mancher entgegnen: dies alles mag ja beim
Kunstgewerbe und bei der Architektur zum Teile richtig sein, aber
inwiefern trifft das bei einem Werke der sogenannten hohen, frei
schaffenden Kunst zu, wie zum Beispiel bci einem Denkmale? — Ver-
suchen wir auch hier neue Möglichkeiten zu entdecken und auf was
sie basieren mögen. Die Denkmalsfrage ist in unseren deutschen Landcn
eine sehr akute. Das ganze Reich ist derartig bedeckt mit Krieger-
denkmälern und Kaiser Wilhelm-Denkmälern desselben konventionellen

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Runstwart
 
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