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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 21 (1. Augustheft 1903)
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Münzer, G.: Uebungen im Musikhören, [2]: das Lied auf Instrumenten
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Lange, Konrad: Die Illusionsästhetik und ihre Gegner, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0516

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vollen Gesänge ous op. 109, 111. Auch die unvergleichliche Arietta
der L.8 äur-Sonate, op. 110, ein Gesang von unermeßlicher, unend-
licher Weihe, ist nur ein Lied:

^.^aLr'o, ?-ra -rorr

Wir sehen, was wir als höchste Emanation genialster Schöpfer-
kraft bewundern — es ist, in seinem musikalischen Bau, dasselbe
wie jene simplen Liedchen, von denen unsere Betrachtungen ausgingen!
Jst d a eine Trennung zwischen hoher und niedrer, leichter und schwerer
Kunst zu finden? Jn ihrem musikalischen Kern sind sie eins, Wenzel
Müllers „So leb denn wohl" und Beethovens Weihegesang. Die
dumpfe Gasse wie die weiten Himmelshöhen durchdringt in tausend-
sältiger Gestalt die ursprünglichste Offenbarung der musikalischen Seele:
das Lied. G. Münzer.

vie Illusionsäslkelik uncl ikre Gegner. r.

(Schlutz.)

Erst mit der Statuierung der bewußten Selbsttäuschung und der
beiden sie bedingenden Vorstellungsreihen findet auch die künst-
lerische Persönlichkeit ihre Rechnung, auf die ja unsere jüngere
Kritik so viel Wert legt. Aber wunderbar! Grade diejenigen, die
dieselbe immer im Munde führen, wollen am wenigsten verstehen,
daß man, während man sich der Jllusion vollkommen hingibt, d. h.
das Angeschaute für WirMchkeit nimmt, unmöglich gleichzeitig an
den Künstler denken kann, der das Kunstwerk geschaffen hat. Besteht
doch die völlige, d. h. perfekt gewordene Jllusion grade darin, daß
man das Kunstwerk nicht als Kunstwerk auffaßt, sondern von jedem
materiellen Schöpfungsakt losgelöst denkt. Und doch ist das, was man
im Kunstwerk bewundert, im Grunde nichts anderes als die schöpfe -
rische Tat eines überlegenen Menschen, der Einem mit
seiner genauen Kenntnis der Natur und den von ihm völlig beherrschten
technischen Mitteln zwingt, etwas anzuschauen, was gar nicht da ist,
aus der eigenen beschränkten Natur herauszutreten und zeitweise ein
anderer zu werden, Vorstellungen und Gefühle zu reproduzieren, die
gar nicht auf einer Wirklichkeitsanschauung beruhen.

Da nun die Vorstellung des schaffenden Künstlers jedenfalls von
der Borstellung der im Kunstwerk dargestellten Natur verschieden ist,
habe ich sie der ersten Vorstellungsreihe, d. h. der der illusionsstörenden
Momente eingegliedert, und es liegt wiederum auf der Hand, daß wenn
man bei der Anschauung eines Kunstwerks gleichzeitig das in ihm dar-

U Augustheft tyor
 
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