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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Rundschau
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Unsre Noten und Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0361

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im Holz gelassen, wäre billiger und
ebenso bequem gewesen und hätte
nicht gestört, — für dasselbe Geld aber,
das dieses Ding kostet, hätte man auch
eine wirklich hierher passende geschmack-
volle Bank bekommen können. Ach,
das geschieht nun öfter bei uns so,
datz wir uns alle Mühe geben, bis
999 Teile von den tvoo ciner Arbeit
fertig sind, dann aber naht sich das
Unheil. Wie sorgfältig und gediegen
ist z. B. in Dresden der grohe Saal
des Vereinshauses gestaltet! Wohl,
doch auf das Rednerpult, das also
während einesVortragsabendes mitten

im Blickpunkte des Publikums steht,
scheint man höchstens fünf Taler ver-
wendet zu haben. Das ist die Kunst,
sozusagen, des umgekehrten Tüpfel-
chens auf dem i: durch die letzte
Kleinigkeit verderbt man noch schnell
den Eindruck.

Für unsere Drahtkultur jedenfalls
ist auch dieses Beispiel recht lehr-
reich. Wir wissen, datz die Blume
schön ist, denn wir habens gelernt.
Nur: Wir haben das arme Ding auf
Draht gesteckt, es fehlt ihm der Zufluh
vom Leben her. Wir empfinden
unsere ästhetische Kultur nicht. A.

llnsre l^oten unci kilcier.

Um unsern Lesern einen Einblick in Richard Strauhens Heldenleben zu
vermitteln und zum nüheren Befassen mit diesem Werke anzuregen, geben wir
mit besonderer Genehmigung des Leuckartschen Verlages cinen Abschnitt aus
der „Liebesszene" in der kürzlich erschienenen vorzüglichen Singerschen Klavier-
übertragung für zwei Hande. Jndem wir die Kenntnis deS Gedankenganges aus
dem betressenden Aufsatze dieses Heftes voraussetzen, bemerken wir, daß unser
Bruchstück gerade dort anhebt, wo der Widerstand der durch die Sologeige
vertretenen spröden „Gefährtin" nachgelassen hat. Zweimal ertönt, stets um
einen Halbton erhöht, das „sehr ruhige^ Werbemotiv des Helden (Celli und
Kontrabässe); beidemal antwortet die Gefährtin „zart und liebevoll"'. Noch
ein leises Zittern und Sträuben. Dann breitet daS nach ves-äur versetzte
Werbemotiv („Mähig langsam") mit schwellendem Gefühl sozusagen feier-
lich scine Arme aus, die Gefährtin stürzt sich hinein, und während einer
stürmischen Steigerung ihrer Melodie (S. 3) schlägt ihr Herz an dcm seinen.
Ein Diminuendo lcitet hinüber nach 6es-äur, wo eine sehr warm empfundene,
herrliche Liebesmelodie aufblüht, die sich (S. s letztes System) zu einer zarten
und innigen Coda immer mehr beruhigt. Ganz in sich versunken, scheinen die
Liebenden alles um sich her zu vergessen. — Die zwei übrigbleibenden Seiten
wurden benutzt, um das in diesem Jahrgang begonnene Anschauungsmaterial
über das deutsche Lied des t8. Jahrhunderts zu vervollständigen. Sie bringen
Zumsteegs anmutiges Lied „Jch denke Dein". Die melodischen Terzengänge
derZwischenspiele und die chro matischen Terzenmelodieen des Heldenlebens(S. 3)
sind für den Musikfreund dankbare Vergleichsgegenstände. Sie zeigen hier im
Keime, was dort zu viel gröherer Ausdruckskraft sich entfaltet hat. R. B.

Das Bildnis Adolf Bapersdorfers von Arnold Böcklin gilt für eines
der allerfeinsten Bildnisse Böcklins, ist es doch nicht nur mit dem Auge dcs
Malers, sondern auch mit dem des Freundes aus der Natur herausgesehen.
Bon der malerischen Feinheit freilich hat in die farblose Wiedergabe nicht viel
hinübergerettet werden können, obgleich auch sie sich mindestens von einem,
der das Original kennt, immerhin ahnen läht. Seelisch verlangt das Bildnis,
bevor es spricht, wie der Abgebildete, zuerst cinmal ein Verweilen bei sich.

2. Iuniheft 1902 29t
 
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