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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 22 (2. Augustheft 1903)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0579

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I.ose klalter.

Orei kleirie Erräkiungen

von Björnstjerne Björnson.

Vorbemerkung. Björnson, der Alte, ist uns Deutschen allen
ein bekannter Mann, um dessen Dichtungen wir uns kümmern, als
wären sie deutsche, und bei der inneren Strebensverwandtschaft seiner
Poesie mit der unseren ist das ganz in der Ordnung. Nur wollen
wir darüber Björnson, den Jungen, ja nicht vergessen. Es gab eine
Zeit, da unsere besten Geister entzückt waren von seinen frühern Er-
zählungen, und diese sind mit der Zeit nicht schlechter geworden, es
haben sich nur andere vor sie gestellt. Ja, wir werden uns fragen
dürfen, ob nicht gerade die Gegenwart mit ihrem Verlangen nach
Heimatskunst alle Ursache hätte, sich wieder mehr auf diese „Bauern-
novellen" zu besinnen, mit denen ein uns nahe verwandtes Volk reine
und gesättigte Heimatskuust geschaffen hat.

Die Verdeutschung der kleinen Erzählungen, die wir hier bringen,
ist der bei Fr. Wilh. Grunow in Leipzig erschienenen Sammlung
Björnsonscher Bauerngeschichten „Ueber den Bergen" entnommen, der
schönsten deutschen, die wir haben.

Oer Valer.

Der Mann, von dem hier erzählt werden soll, war der mäch-
tigste in seinem Kirchspiel; er hieß Thord Oeveraas. Er stand eines
Tages hochaufgerichtet und ernsthast im Studierzimmer des Pfarrers;
Jch habc einen Sohn bekommen, sagte er, und will ihn getauft haben.
— Wie soll er heißen? — Finn, nach meinem Vater. — Und die
Gevattern? — Er nannte sie, und es waren die angesehensten Männer
und Frauen des Kirchspiels, alle aus der Familie des Mannes. —
Ist da sonst noch etwas? fragte der Pfarrer und sah auf. Der
Bauer stand einen Augenblick da, dann sagte er: Jch möchte ihn
gern allein gctauft haben. — Das heißt an einem Wochentage? —
Am nächsten Sonntag um zwölf Uhr Mittags. — Jst da sonst noch
etwas? fragte der Pfarrer. — Sonst ist da nichts. — Der Bauer
drehte die Mütze in den Händen, als wolle er gehen. Da erhob
sich der Pfarrer. Ja, eins ist noch vergessen, sagte er, ging auf
Thord zu, faßte seine Hand und sah ihm in die Augen: Gott gebe>
daß das Kind dir zum Segen gereichen möge!

Sechzehn Jahre nach dem Tage stand Thord wieder in der
Stube des Pfarrers. — Du hältst dich gut, Thord, sagte der Pfarrer;
er bemerkte keine Veränderung an ihm. — Jch habe auch keine
Sorgen, sagte Thord. Hierzu schwieg der Pfarrer, aber nach einer
Weile sagte er: Was führt dich heute Abend hierher? — Heute Abend
komme ich meines Sohnes wegen, der morgen konfirmiert werden
soll. — Er ist ein tüchtiger Junge. — Jch wollte den Herrn Pfarrer
nicht bezahlen, ehe ich wüßte, welchen Platz er in der Kirche er-
halten solle. — Er soll der Erste sein. — Das habe ich gehört,
und hier sind zehn Taler für den Herrn Pfarrer. — Jst da sonst
noch etwas? fragte der Pfarrer und sah Thord an. — Sonst ist
da nichts mehr. — Thord ging.

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Aunstwart
 
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