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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1903)
DOI Artikel:
Henrici, Karl: Stadt- und Straßenbild im Mittelalter und in der Neuzeit
DOI Artikel:
Weber, Leopold: Wollen und Können, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0561

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schau abhalten kann, oder in dem er sich bewegt im Gefühl des
Schutzes und des Geborgenseins.

Die sezessionistische, besonders von der Schule Otto Wagners
in Wien ausgehende Bewcgung der Architektur suhrt manche auf
die Flächenknnst gerichtete gute Absichten mit sich, die auch der Ver-
wirklichung der hier zum Ausdruck gebrachten Gedanken sehr wohl
zugute kommen könnten. Nur ist merkwürdig, daß O. Wagner selbst
von bewegten Straßenlinien und vom Vertikalismus in der Architektur,
welches beides zur Erzeugung charakteristischer Raumgebilde und wechsel-
voller, auch malerischer Stadtbilder unentbehrlich erscheint, nichts
wissen will. —

Fassen wir in einem Vergleich noch einmal zusammen, was die
äußere und innere Erscheinung einer neuen Stadt gegenüber der
mittelalterlichen zu besagen hat. Bei der letzteren fanden wir eine
abgeschlossene, in sich gekehrte Familienhaushaltung, die ganz auf eig-
nen Füßen steht, und in sich faßt und schafft, was dazu gehört, um
zu leben und das Dasein glücklich zu gestalten. Jetzt dagegen hat sich
das Haus geöffnet nnd erweitert, rascher wechseln die Bewohner, und
es hat mehr den Charakter eines Gasthauses angenommen. Der Ver-
kehr strömt ein und aus, und keine Abwehr störender Eingriffe von
außen wird mehr geübt. Dabei muß manches von dem alten intimen
Wesen und von traulicher Heimlichkeit geopfert werden, aber dafür
strömt frisches Leben von außen herein und strahlt wieder ins Land
hinaus.

Einer so veränderten Haushaltung ist in der Erscheinung der
neuen Stadt künstlerischer Ausdruck zu geben, aber es ist dafür zu
sorgen, daß es auch der neuen Behausung nicht an Poesie und an
Räumen der Ruhe fehle, in denen Gäste wie Wirt sich heimisch
fühlen, und wohliges Behagen finden können. Uarl Henrici.

Mollen uncl Rönnen.

Wer längere Zeit im öffentlichen Kampfe für eine Ueberzeugung steht,
wird Erfahrungen machen, an die der Zuschauer publizistischer Kämpfe
schwerlich denkt. Das heiße Gefecht mit dem eigentlichen »Widersacher", mit
dem entschiedenen schlagfertigen Gegner dessen, was ich hochhalte, erscheint
dem Neuling und dem Fernstehenden als das Schwierigste der Polemik,
der kritische Schriftsteller selbst aber merkt sehr bald, datz solch Klingen-
kreuzen vielleicht die allererfreulichste seiner Aufgaben ist. Nicht einmal
der Kampf mit unehrlichen Gegnern ist immer ganz ohne Reiz; auch
das Ungeziefervertilgen kann einem durch das Bewutztsein, zu reinigen,
das Befassen mit dem Schmutz zu einer lustvollen Arbeit machen. ZumUn-
erquicklichsten jedoch gehört die Auseinandersetzung mit Gcistern, die
man gern als Bundesgenossen begrützen möchte und doch nicht als solche
begrüßen kann, mit Kritikern, die einem Ziele, das auch wir verfolgen,
in einer Art und Weise nachstreben, die uns ungeeignet, ja dem Ziele
selber wesensfremd erscheint, mit Poeten, denen der beste Wille und
die lautersten Gefühle eignen mögen, nur datz ihnen das Gestalten-
können fehlt. Jch spreche von ihnen allen, die wir nur als Woller emp-
finden, nicht als Könner. Jhr guter Wille bleibt menschlich, dem alten

qqo Aunstwart
 
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