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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 21 (1. Augustheft 1903)
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Lose Blätter
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0534

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wie er, der Herr und Meister — so will ich unter den Menschen
wirken, wie ein Gärtner zwischen seinen Pflanzen, wie ein Hirte zwischen
seinen Schafen. Gott segne mein Tagewerk! — Kommt ihr mit mir,
Kinder?

Johannes und Veronika: Wir kommen mit dir, Niko-
demus. (Sie gehen. Vorhang fällt.)

iuiei-2iur. kunctsckau.

P Schundromane.

Als wir begannen, von Schund-
romanen Kenntnis zu nehmen, sind
wir von nicht wenigen Leuten ver-
wundert angeblickt worden. Das war
ja so klar, daß dieser Kram da Schund
war, über so etwas sprach man doch
nicht erst, da lachte man doch darüber.
Richtig, aber es ist uns auch wirklich
nicht beigefallen, in unsern Lesern
ein etwaiges Publikum für Kolportage-
romane anzunehmen. Weshalb wir
auf die Schundromane zu achten baten,
das sagt am einfachsten ein Gleichnis.
Es war einmal eine Stadt, die be-
mühten sich viele mit Fleiß und Eifer
rein und gesund zu machen, tagtäglich
fegten scharfe Besen auf ihren Straßen
den Schmutz zusammen, und Wagen
fuhren ihn weg. Sonderbar, es half
nicht recht, Schmutz, Miasmen und
Krankheiten blieben. Man hatte nicht
unter die Erde gesehen. Da näm-
lich gab es, Gott weiß woher, ein
sonderbares Kanalsystem — mag sein,
daß eine Bodenveränderung Hoch
und Tief verrückt hatte, kurzum: es
arbeitete gcrade umgekehrt, als
andere solche Anlagen — es schwemmte
Schmutz nicht aus, sondern ein. Von
den Rieselfeldern ringsum, von sticki-
gen Sümpfen, selbst von eben den
Abladestellen, wohin die Reiniger den
Unrat geschafft hatten, kroch in diesen
Kanälen der Schmutz unter die ge-
säuberten Straßen her, und ungesehen
aber unaufhörlich stieg zwischen den
Pflastersteinen das Gift wicder auf.
— Alle Mühe um eine gesunde Volks-
literatur ist umsonst, wenn wir die
Kloaken nicht verstopfen können.

Steigen wir nun ins Unterirdische
hinab. „Fischers Mitteilungen für
den Kolportage-, Sortiments- und
Reisebuchhandel^ können uns gut dabei
führen, lesen wir drei Ankündig-
ungen daraus,mit denen „Volksroman^-
Verleger die kleinen Buchhändler und
Buchbinder bearbeiten.

„Sehr geehrter Herr Kollege!

Wissen Sie bereits das neu-
este Ereignis?

Haben Sie schon von dem
Riesenerfolg des neuestenSchla-
gers gehört?

BesitzenSienochkeinSammel-
material davon?

Haben Sie schon damit einen
Versuch gemacht?

Alle diese Fragen laufen gegen-
wärtig von Mund zu Mund der Herren
Kollegen (gemeint sind die Kolportage-
buchhändler) und jeder beeilt sich, als
erster die größte Anzahl von Abon-
nenten für sich einzuheimsen auf den
das allergrößte Aufsehen erregenden
Sensationsroman:

vie Tlrauung am 8lerbebett
oder

Oer Uampf um 80 I>üiUioven.

Und wahrlich, es hieße sich ins
eigene Fleisch schneiden, wollte man
den ungeheuren Erfolg dieses außer-
ordentlich zugkräftigen Werkes leugnen,
wollte man die jetzige Sammelzeit
unbenutzt vorüber gehen lassen, da
jedem Sammler die Abonnenten ohne
Zureden von selbst in Massen zu-
laufen I

Tlnct rvoker komml «ter 6rkolg?

Alle Welt blickt voll Spannung
auf die zeitgemäßen Millionenschwindel

42t

2. Augustheft t9<>3
 
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