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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 16 (2. Maiheft 1903)
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Erdmann, Karl Otto: Die Illusion in der Kunst, [1]
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Ueber Kritik und Literaturgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0210

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gentin?" Herr Sonntag veranlaßte also das Publikum, die Worte
der Dichtung nicht in ihrem Sinne, als Worte eines Oranien an
einen Egmont, sondern als eine Strafpredigt des Herrn Sonntag
an einige mißvergnügte Zuschauer aufzufassen; die gekränkte Komö-
dianteneitelkeit erschien ihm wichtig genug, an Stelle der dichteri-
schen Jllusion die triviale Wirklichkeit eines Theaterklatsches ins Be-
wußtsein der Zuhörer zu heben. Das ist natürlich keine Haupt- und>
Staatsaktion; aber es ist doch bezeichnend, daß die Memoiren von
Schauspielern, wie z. B. die des genannten Karl Sonntag an solchen
Geschichten reich sind. Es scheint als besonders geistreich zu gelten,
wenn die Sätze eines Theaterstückes als Anspielungen auf politische
Ereignisse, auf Stadtklatsch oder — was am beliebtesten ist — aus
Privatverhältnisse der Schauspieler bezogen werden.

R. G. Lrdmann.

(Schlutz folgt.)

lleber Rrilik unck Lileralurgesckickle. *

Es gibt nach meiner Auffassung keine andere als persönliche uni>
subjektive Kritik, jeder Kritiker, ohne Ausnahme, setzt, der Natur
seines Berufes gemäß, sich selber, seine Persönlichkeit als Maß der
Dinge, immer spricht ein Jndividuum das kritische Urteil, und es

* Adolf Bartels hat eben bei Ed. Avenarius (Goldbeck-Löwe) in Leipzig
eine kleine Schrift herausgegeben, die „Kritiker und Kritikaster" genannt ist,
sich zunächst mit den Rezensenten seiner Literaturgeschichte beschäftigt, dann aber
von der „eignen Sache" zur Sache überhaupt aufsteigt und die Bedingungen
der Kritik wie der Literaturgeschichte untersucht. Ueber sein Verhältnis zum
Kunstwart sagt Bartels in dieser Schrift: „So wenig haben die Mitarbeiter
des -Kunstwartsl je eine Klique gebildet, datz noch heute die schärfsten Gegen-
sätze zwischen ihnen bestehen, und im besonderen kann ich von mir, wenn es
denn erlaubt ist, den Schleier ein wenig zu lüften, sagen, dah ich meine heftigsten
Kämpfe politischer und ästhetischer Natur nicht an der Oeffentlichkeit, sondern
im Briefwechsel mit Ferdinand Avenarius ausgefochten habeck Das ist richtig.
Der Kunstwart wird von einer Anzahl von Männern geschrieben, die sich zum
Wirken für die Ziele verbunden haben, über die sie unter sich und mit mir
im wesentlichen einer Meinung sind, was natürlich nicht im mindesten aus-
schlieht, dah sie über eine Menge anderer Fragen grundverschieden denken.
Zwischen Bartels und mir im besonderen gibt es MeinungSverschiedenheiten
in Fülle, um nur eine zu nennen: er ist, sagen wir abgekürzt, Antisemit, ich,
der ich am Kunstwart zu jeder Zeit auch mit ehrlichen Juden so gern zu-
sammengearbeitet habe, wie ich's heute noch tue, bin's nicht. Jch behalte mir
vor, über diesen Punkt noch einmal im Kunstwart zu sprechen. Einige andere,
über die ich anders als Bartels denke, habe ich schon früher angedcutet. Gerade
jetzt, wo Bartels sicher der meistbefehdete deutsche Kritiker ist, hielte ich's aber für
eine Feigheit, das Bekenntnis zu unterdrücken: ich halte ihn trotz allem für die
stärkste Kraft, die gegenwärtig der deutschen Literaturgeschichte dient. Datz
er vielfach nicht verstanden wird, ist grade bei seinen Besonderheiten höchst er-
klärlich, dah er vielfach gehatzt wird, auch wo man ihn versteht, ebenso,
dah man ihn tüchtig bekämpft, ist also ganz in der Ordnung. Die Mittel aber,
die dabei gebraucht werden, zeigen, datz der den Jesuiten allein zugeschriebene
Satz vom mittelheiligenden löblichen Zweck sich auherordentlich weiter An-
erkennung erfreut, und insbesondere die aufgeregte Verächtlichtuerei Mamroths
in der „Frankfurter Zeitung" gegen „den" Bartels zeugt bei ihren Begründungen
von einem erstaunlichen Mangel an Bedürfnis nach geistiger Reinlichkeit.
Neuerdings schrieb Mamroth hinter einer Notiz über Bartels: „Der Clown
in der Literaturgeschichte!" Schön. Mögen unsre Leser die hier mitgeteilten
Sätze selbst auf das Clownmäßige nachprüfen. A.

zeo

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