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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1903)
DOI Artikel:
Weber, Leopold: Wollen und Können, [1]
DOI Artikel:
Gregori, Ferdinand: Die Entwicklung der Kulisse, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0572

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Selbstgefühl stärken, heißt es. Ja, fehlt denn uns Deutschen das
Selbstgefühl wirklich in so hohem Grade? Mir, nach meinen pcrsön-
lichen Erfahrungen ziemlich weit herum in der Welt, mir scheint, daß
fich das Empfinden da mehr in ftarken Gegensätzen äußert. Der
Deutsche in der Fremde nameutlich fucht, von Ausnahmen natürlich
abgesehn, im Durchschnitt sein Volkstum entweder zu verbergen, oder
aber er prahlt damit in einer Weise, wie man's unter den selbstsichern
Engländern z. B. nur ganz vereinzelt antrifft. Jst es also uicht viel
mehr die männliche Reife und Klarheit des Selbstgefühls, die Selb-
ständigkeit, die uns fehlt? Aber selbst wenn wir aunehmen, daß
bei uns die chauvinistische Eitelkeit vor dem nationalen Kleinmut bc-
deutend zurücktritt und daß der Volkserzieher uns demgegenüber immer
wieder nachdrücklich auf die Vorzüge der eigneu Rasse aufmerksam machen
muß, liegt da nicht die Gefahr sehr nahe, daß durch dies bestäudige
absichtliche Hinweisen, das doch leicht etwas von einem „Eigenlob" an-
nimmt, nun dcr Dünkel viel eher groß gezogen werde, als jeuer ruhige
und sichere Stolz, der uns freilich not tut? Zum mindesten wird
dieser Gefahr gegenüber, mein' ich, grade wer herzlich für sein Volk
fühlt, doppelt scharf und „nüchtern" solch ein „Begeisterungsreden", zu
dem letzteu Endcs doch auch sehr viele literarische Erzeugnisse gehören,
nicht nur auf die subjektioe Ehrlichkeit, auf die aufrichtige Wärme des
Gefühls, sondern auch auf den positiven Wertgehalt, auf die innere
Kernhaftigkeit, auf den Grad männlicher Klarheit darin prüfen müssen. Die
Lüge hat .kurze Beine", aber die ehrliche Phrase, die „aufrichtige Unwahr-
haftigkeit", die berauscht und schädigt viel tiefer. Leopold weber.

(Schlutz folgt.)

vie Cntveicklung cler Rulisse.

(Schlutz.)

Ludwig Tieck hat die etwas vollkommenere Bühne des Globe-
Theaters, dessen Direktor später Shakespere wurde, recht anschaulich
rckonstruiert uud dabei die Fechtszene aus „Hamlet" zum Vorwurj
genommen. Man blickt auf das stark verkürzt gezeichnete Podium,
vor dem cine Reihe aufmerksamer barettgeschmückter Zuschauerköpfe
sichtbar ist. Oben, in der Mitte, riugt Laertes mit dem Tode,
Osrick bcugt sich zu ihm nieder, Hamlet durchsticht den Mörder-König,
der neben der vergifteten Gertrude in einem Erker der Hiuterwand
sitzt (dieser Erker war durch einen Teppich verschließbar und ermög-
lichte einen zweiten Bühnenschauplatz, den man herrichtete, während
vorn gespielt wurde), ein Hofmann schreit Mordio, Horatio ist im
Begriff, auf des Freundes Wunsch die Türen schließen zu lassen.
Rechts und links von dem Erker führen zwei Ausschnitte hinter die
Bühne, sie sind durch Vorhänge fast geschlossen und lassen je eine
ansteigende Treppe erkennen, auf dcnen nachhcr wohl Fortinbras und
sein Gcfolge erscheiuen werden. Jm ersten Stvckwerk, über dem Erker,
sind einige verhängte unbcnützte Logen, die ein für allemal der Ver-
wendung im Schauspiel reserviert bleiben; darüber wiederum sitzen
die Musiker, die im dritten Akte die Komödicnszene mit Flötenspiel
eingcleitct haben. Von einer der Logen im ersten Stockwerk, die im

2. Augustheft 190s

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