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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 21 (1. Augustheft 1903)
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Lange, Konrad: Die Illusionsästhetik und ihre Gegner, [2]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0524

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für, daß auch bei den inhaltlich bcdeutenden Kunstwerken nicht der
Jnhalt, sondern die innere und äußere Wahrheit, die Jntimität der
Naturausfassung, die Glaubwürdigkeit der Schilderung die eigentliche
Ursache des ästhetischen Genusses, d. h. das Ausschlaggebende in rein
künstlerischer Beziehung ist. Aonrad Lanze.

I.08S klatter.

Akasver in Ierusalern.

Von Fritz Lienhard.

V o r b e m e r k u n g. Wir entuehmen dieses Vorspiel einer uoch
ungedruckten Bühnendichtung „Ahasver", die demnächst bei Greiner
und Pfeifser, Stuttgart, crscheinen wird. Der Hauptteil dcr Dich-
tung spielt in der Gegenwart. Da sich Lienhards Tätigkcit mehr-
fach mit der des Kunstwarts berührt, halten wir cine cingehendere
kritische Auseinandersetzuug mit ihr für geboten, vorher aber wollen
die Leser noch ganz unbefangen cin neues Stück seincr Poesie auf
sich wirken lassen.

Die Bühnc stellt das flache Dach eines oricntalischen Hauscs
dar, mit cinem Ausblick auf daS mächtige Panorama Jerusalems.
Matten zum Sitzen liegcn umher. Am Rande des Daches ragt eine
Palme empor.

Ahasver, ein stattlicher, langbärtiger Greis, lebensvoll und
von innerem Feuer durchglüht, das sich in häufigem Umherwandern
und ungeduldigem Händereiben kundgibt, tritt von unten her auf
das Dach heraus. Morgendämmerung.

Ahasvcr (tut die Gebetsriemen um, verneigt sich und breitet
betend die Hände empor): Jehovah Zebaoth, Gott der Macht, ich bete
dich an! Bring her das Feuer der Wüste, steig herauf mit Kraft,
entzünde die Felsengebirge Moabs, daß sie stehcn gleich Flammen-
altärcn rund um deine heilige Stadt! Gott Jsraels, du hast ver-
hcißen deinem Volke, daß wir sollen zertreten unter unsren Füßen
allc Heiden, daß wir sollen zermalmen ihre Gottlosigkeit, wie dcr
Löwe krachend Gebein zermalmt, daß wir sollen hinwegfegen ihre
Legionen, wie man mit dem Besen die stäubende Tenne kehrt! Heut
ist Passahtag, Jehovah Zebaoth! Höre dein Volk an deinem
heiligen Passah, Herr der Heerscharen! Wann schleuderst du hin-
weg diese da, diese Römerbrut, wie du Roß und Reisige der Ägypter
zornknirschend geschleudert hast in das Schilfmeer?! Wann zerstamp-
sest du den Jrrlehrer unter nns, der dein Volk verführt? Siehe,
Jsrael zersällt, wie eine Kalkmauer zerbröckelt! Siehe, Aufrührer
schleichen mit gleißcnder Lehre durchs Land und machen dies Bolk
schlaff im Besten seiner Kraft: im Haß! Zertritt, die deinem Namen
widerstehen, Gott Zebaoth! Gib uns zurück den großen Haß! Gib
uns Macht! Gib uns Macht! Gib uns Macht! . . Amen. (Kleine
Pause. Ahasver hat die Gcbetsriemen gclöst, geht an den Rand

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z. Augusthest t903
 
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