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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1903)
DOI Artikel:
Platzhoff-Lejeune, Eduard: Vom bildenden Reisen
DOI Artikel:
Weber, Leopold: Wollen und Können, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0616

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nichts anderes gefunden zu haben, als was ihm sein Studierzimmer
schon vorher verraten hatte.

Es kommt mir nicht darauf an, die beiden extremen Typen ver-
gleichend zu werten und gegeneinander abzuwügen; das hieße sich
zu einem bekennen und von den Anhängern des andern verspottet
werden. Beide haben sie ihr Recht, und die Hauptsache ist, sie in
ihrer Eigentümlichkeit und Getrenntheit zu erkennen. Beide haben
sie auch ihre Karikatur, nach der man sie nicht beurteilen darf.

Alles in Allem: Reisen ist an sich nicht bildend, kann cs aber
sein. Nämlich: wcnn wir unsere gegenwärtig üblichen Reisemethoden
gerade auf den Kopf stellen. Auch dann aber schickt sich eines nicht
für alle, und wem seine Natur das Reisen weder nutzbringend noch
erfreulich macht, braucht der sich durch das Vorurteil vom bilden-
den Rcisen aus seiner Stube locken zu lassen?

Lduard Pl ah hoff-Lejeun e.

MoUen «nci Rönnen.

(Schluß.)

Nun ständen wir als Letztem vor der Lyrik Lienhards, die schon
manchen Bewunderer gefunden hat. Auch ich halte die Lyrik LienhardS,
da es ihr manchmal in räumlich beschränkten Stimmungsbildern gelingt,
reiner Gestalt zu gewinnen, für erfreulicher als seine Dramen. Ja wir
treffen hier und da einmal halbentwickelte Keime kräftiger und eigener
Phantasieanschauungen. So wird z. B. der Mondschein sehr schön ver-
bildlicht:

Leis zieht, der hoch am ksimmel stand,
ver milde Glanz die Flügel ein.

Lr geht hinab vom ffimmelsrand
Und läßt die Nlenschenwelt allein.

Leider nur erschüttert Lienhard die dichterische Wirklichkeit des phan-
tastischen Bildes dadurch, daß er gleich darauf in durchaus unphan-
tastisch - realistischer Schilderung von der „verklärten Pracht" des
,zarten Abendhimmelduftes" spricht, den er uns als geflügeltes Glanz-
wesen sehn ließ. Und freilich, bis zu lyrischen Kristallen, bis zu
spezifischer Lyrik seh ich es Lienhard nirgends bringen, selbst wenn
ich unter den am meisten gelobten Liedern noch so prüfend Aus-
schau halte. Jch will das tun, um so unparteiisch wie möglich zu sein,
ich will nicht die minderwertigen, ich will diejenigen Gedichte Lienhards
nennen, die von seinen Verehrern als die besten anerkannt werden, und
ich will sie zitieren, um Lienhard so viel wie möglich selbst mit seinem
Besten sprechen zu lassen. Da ist das gerühmte:

Im ew'gen Lichtreich...

Am ffochfeld starb das hehre Abendrot.

Ulein Tag war eng und heiß, mein Tag ist tot.

p Sextemberheft tsor

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