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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0346

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I.ose klätler.

Geäickte von llavl Meitbreckt.

Vorbemerkung. Karl Weitbrecht hat jetzt eine zusammenfassende
Auslese aus seinen verschiedenen Gedichtbüchern als „Gesammelte Gedichte" bei
Adolf Bonz L Co. in Stuttgart herausgegeben. Der Aesthetiker und Literatur-
historiker Karl Weitbrecht, der Nachfolger Vischers auf dem Stuttgarter Lehr-
stuhl, ist denn doch auch über Württemberg hinaus vielen bekannt, der Er-
zähler und der Lyriker Karl Weitbrecht leider noch kaum. Vielleicht wird das jetzt
anders — Weitbrecht selber meint das wahrscheinlich nicht, wir andern wollen's
wenigstens hoffen. Statt die Gedichte dessen zu kritisieren, den man in ge-
wissem Sinne den „letzten schwäbischen Dichter" (will's Gott: bis auf weitere)
nennen könnte, wollen wir heute die Leser ein paar Blicke in seine Gaben selbst
tun lassen. Auch wer zu Weitbrecht, dem Lyriker, nicht eben oft in ein warmes
Verhältnis kommen kann, wird sich gewitz an Weitbrecht als dem poetischen
Schilderer anderer Dichter erfreuen. Jst über Mörike und insbesondere über
Keller Schöneres und Bezeichnenderes gesagt worden, als von Weitbrecht
in dem ersten und dem letzten der folgenden Gedichte?

*

Lduard Nlörike.

Der du, schon Greis, mit jugendfrischem lvort
Linst den verzagten Iüngling aufgerichtet,
lvas du mir sprachst, lebt mir im lserzen fort,

In allem lebt's, was seitdem ich gedichtet.

Du sxrachst: „Laß immer stauen sich den Bach
An schattenloser BILße eine lveile l
Ls ist nicht not, daß allezeit er jach
Stürmt durch Gestein und lvald in toller Lile.

Laß ibn nur stehn, hinträumend, schwermutvoll,
von Algen und von Linsen übersxonnen,
llnd träumend zweifeln, was er will und soll —

Ihn sxeist ganz stille doch der ewige Bronncn.

Und plötzlich schießt er jubelnd wieder sort,

Sxringt über Felsen wie im Rinderspiele,

Tauscht mit dem lvalde manch bedeutsam lvort
Und kommt zur rechten Zeit zum rechten Ziele."

So sxrachst du, wiegtest lächelnd leis das lsaupt,

Das edle lsauxt mit seinen Silberlocken;

Getröstet hab' ich deinem lvort geglaubt

Und glaub' ihm noch, so oft mein Lauf will stocken.

Der deine kam schon lang zur seligen Rast,

Ich ziehe weiter auf bestaubten lvegen —

Doch wohl mir, daß du mir gegeben hast
Auf alle lvege deinen milden Segenl

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Runstwart
 
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