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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 21 (1. Augustheft 1903)
DOI Artikel:
Gregori, Ferdinand: Die Entwicklung der Kulisse, [1]
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Münzer, G.: Uebungen im Musikhören, [2]: das Lied auf Instrumenten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0513

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meist. Den Hauptvorhang kannte er nicht, und er konnte ihn ent-
behren. Das gesprochene Wort war ihm die Hauptsache, und so be-
gnügte er sich mit Teppich-Draperien, die bei ernsten Stücken schwarz
waren. Genau zweihundert Jahre vor der Gründung des Wiener
Nationaltheaters, auuo 1576 also, erstand in London das Blackfriars
Theater, wo sich Shakespere seine Sporen verdienen sollte. Binnen
kurzem traten sieben andere solcher polygonen oder runden Gebäude
hinzu, die fleißig besucht wurden, obwohl die Londoner dazu aus
ihrer Stadt heraus und über die Themse mußten. Eine Zeichnung
vom Jahre 1596, die das Jnnere des Schwantheaters darstellt, zeigt
ein ungedecktes prismatisches Haus, das auf Tagesvorstellungen
schließen läßt. Doch gab es auch bedachte, die sich der Kerzenbe-
leuchtung bedienten. Die Szenerie selbst kannte weder gemalten Pro-
spekt noch Seitenwand; sie hatte eine festgefügte und unveränder-
liche Architektur: zwei Säulen an der Seite, ein paar Türen und
cin Logenstockwerk. Die Darsteller agierten auf einem erhöhten
Bretterboden, der sich weit in das Parterre des Zuschauerraums
hineinschob. Wie im alten Griechenland saß das Publikum nicht nur
vor der Szene, sondern auch seitlich zu ihr, ein Teil konnte wohl
sogar mehr die Rücken als die Brüfte der Schauspieler sehen. Be-
vorzugte Gönner der Kunst nahmen hin und wieder auf dem Po-
dium selber Platz. Ferdinand Gregori.

(Schluß folgt.)

Aebungen ini l^usikkören.

2. Das Lied auf Instrumenten.

„Was soll mir eure ganze Weisheit?" wird vielleicht der eine
oder andere Leser fragen. „Einen Gassenhauer, ein Volkslied habe
ich auch ohne Gelehrsamkeit verstanden — ich will Aufschluß über
das Wesen von Kunstwerken im engeren Sinne haben." Eben dahin
streben auch wir, aber wir kommen nicht wirklich vorwärts, wenn wir
nicht Schritt um Schritt weiterdringen.

Wir haben schon davon gesprochen, daß selbst das einfachste Lied
ein Gebilde der Kunst ist, und wir werden sogleich sehen, daß eine
sehr große Zahl von unendlich vornehmen Kompositionen ihrem Bau
nach doch nichts andres sind als Lieder, wie wir sie letzthin analy-
sierten. Spielen wir einmal Schumanns: „Von fremden Ländern
und „Menschen" aus den „Kinderszenen". Das Stückchen ist sehr kurz;
es gehört zu den kleinsten Kunstwerken, die man sich denken kann,
und doch ist es vollendet in seiner Weise. Die Melodie mit ihren
weichen singenden Bögen, klingt ruhig und befriedigend aus; eine
leise, träumerische Stimmung wird angeregt. Es ist ein Meister-
werk der Kleinkunst.

Und was ist es? Nichts anderes, als ein Lied. Eine acht-
taktige Periode mit Vorder- und Nachsatz steht am Anfange:





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Kunstwart
 
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