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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 21 (1. Augustheft 1903)
DOI Artikel:
Münzer, G.: Uebungen im Musikhören, [2]: das Lied auf Instrumenten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0514

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Ebenfalls als eine Reminiszenz an das Lied sind die Wieder-
holungszeichen aufzufassen, die am Ende jedes Teiles ftehen. Der
Komponist denkt sich jeden Teil, der für sich zu kurz wäre, um eine
nachhaltige Stimmung zu erzeugen, wiederholt, ähnlich wie dieselbe
Melodie im Volksliede zu verschiedenen Strophen wiederholt wird.
Wir dürfen also, wenn wir nicht eine gegen das Wesen der Kompo-
sition arg verstoßende Unterlassungssünde begehen wollen, die Wieder-
holungen, welche der Komponist vorgeschrieben hat, nicht ohne wei-
teres unterlassen, wie das Dilettanten sehr gern tun. Die Wirkung
des Ganzen ist auf die Wiederholung berechnet, und geht ohne diese
verloren.

Ein zweites prächtiges Beispiel derselben Form finden wir in
Schumanns „Träumerei" in demselben Zyklus. Auch hier die ein-
fache, klare Form des Liedes:






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Z

Auch hier eine Liedperiode von acht Takten, welche den ersten Teil
des Stückes bildet. Es folgt im zweiten Teile eine neue achttaktige
Periode, und auf diese eine Wiederholung der ersten. Also ein Lied
ist diese „Träumerei", und zwar in einer Gestalt, wie wir es be-
sonders oft finden mit der Wiederholung des Anfanges am Schluß.
Die Melodie klingt mit der Anfangsstimmung einheitlich aus.

Fragen wir uns nuu noch eines. Was bildet den besonderen Reiz
dieses Stückes, was ist daran spezifisch Schumannsche Art? Es fällt
zunächst der außerordentliche Reichtum an Mittelstimmen ins Gehör.
Der Komponist begnügte sich nicht damit, die Melodie einfach har-
monisch zu begleiten, sondern er löste die Harmonieen in Melodieen
auf. Dieses Weben der Stimmen durcheinander ist ein Merkmal
für Schumanns Stil. Es ist, wie wenn jemand über einen Lieblings-
gedanken hin und her sinnt. Es decken sich zweifellos die Vorstellung,
die der Titel erweckt, und die musikalische Stimmung, welche das
Lied auslöst. Wir dürfen uns aber nicht denken, daß sich Schumann


u Augustheft tSOZ
 
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