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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Haenel, Erich: Adolf Bayersdorfer
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Bayersdorfer, Adolph: Deutsche Kunst um 1870
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0339

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Neben Konrad Fiedlers Nachlaß nnd Flörkes Böcklin-Buch reiht
sich jetzt, in der Bibliothek jedes Kunstfrcundes vcrehrungswürdig,
das Leben und Werk Adolf Bayersdorfers. Lrich Lfäncl.

veutscke Runsi uni 1870.*

Wenn man, erfüllt von den Werken der alten Meister, den
Blick der mitlebenden Kunst znwendet, welcher wir, wenn sie uns
auch keinen ungetrübten Genuß gewährt, doch als Zeitgenossen das
regere Jnteresse zubringen, so treten uns Unterschiede so fundamentaler
Natur entgegen, so unsaßbare Gegensätze, daß sie vor der theoretischen
Knnsterkennlnis unwillkürlich schwere Anklage gegencinander crheben.
Diese sieht sich da vor cine uncrbitterliche Alternative gestellt, welche
sie durch keine Verrückung des Urteilsstandpunktes illusorisch machen
nnd beseitigen kann.

Dort erkennt sie die sichere Führung ciner großen Kuustanschau-
nng, welche die Zeitalter behcrrscht und sich am Gemeingut bestimmter
Fdeale in großartiger Einheit aller sreien Geistesschöpfung offenbart,
einer Kunstanschauung, welche alles individuelle Urteil der Zeit in
sich begreift nnd auch das geringcrc Talent vor Verwirrung bewahrt
nnd es über seine subjektiven Fähigkeiten emporhebt. Hier dagegen
steht sie vor einer Kunst, welche nicht dcr notwendige und unbefangene
Ausdruck der Kultur ihres Zeitalters, sondern mehr eine Geschmacks-
sache, ein von der Bildung eklektisch gepflegtes Herkommen ist ohne
die souveräne Abkunft aus einer herrschenden Kunstanschanung —
ein die moderne Zivilisation dekorierender Anstrich, der einen ange-
nehmen Reflex in das Lebcn wirft. Daher hier die ziellose Viel-
fültigkeit einer ansgedehnten und unstetcn Produktion, die Verwir-
rung und Unklarheit der allgenrcinen Absichtcn, die ruhelosen Ver-
suche und Originalitätsbestrebungen dicser ihrer eigenen Führung
Preisgegebenen Künstler.

Dort das freie Schalten einer formbestimmenden und formbe-
lebenden Phantasie, hier deren resignicrte Lebensschwäche, stolz mas-
kiert von einem hochmütigen Vertrauen auf das zu arrangierende
Modell und dessen realistischen Schein. Dort also die Wahrheit des

* Es gereicht uns zur ganz besonderen Freude, den Lesern heute das
wichtigste Slück aus der bei allen „Kunstleuten" berühmten Kritik vorlegen zu
künnen, die Bayersdorfer 1874 unter der viel zu engen Ueberschrift „Neue
Knnstbestrebungen in München" gelegentlich der Wiener Weltausstcllung in der
»Neuen Freien Presse" veröffentlichte — sie tönte in die damalige allgemeine
Kunstversimpelung wohl als der erste weit hallende Weckruf der Kritik. All
die literarischen Kämpfer für eine „neue Kunst", die dann auftraten, sind, ob
sie's erwähnten oder nicht, Bayersdorfers und sind insbesondere gerade der
vorliegenden Kritik Schüler gewesen, die deshalb die Bedeutung eines kunst-
historischen Dokumentes hat. Nur hat Bayersdorfer schon viel weiter als sast
alle sti„e Nachfolger gesehn, indem er insbesondere auch unser Verhältnis zu
Frankreich auf das klarste bezeichnete und umschrieb, was wir von ihm lernen
konnten und was nicht. Seine Aussührungen darüber fchlietzen sich gerade an
öie hier wiedergegebenen Stellen an, sie auch noch abzudrucken, fehlt uns aber der
Naum, — wen's interessiert, der möge in der Bruckmannschen Ausgabe nachlesen.
Wir schließen uns Erich Hänels Empfehlung der ganzen Veröffentlichung auf
das Entschiedenste an.

2. Iuniheft tyor

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