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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI issue:
Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Haenel, Erich: Adolf Bayersdorfer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0338

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Florenz hat, sichert ihm, jetzt, wo das Bestehen dieser wichtigsten
Pflegestätte deutscher kunstgeschichtlicher Forschnng in Jtalien durch
Reichsunterstützung gewährleistet ist, für alle Zeitcn die lebendige
Dankbarkeit seiner Fachgenossen.

Von Bayersdorfers Anteil an der künstlerischen Entwicklnng dcr
jüngeren Gegenwart wird man geschriebene Beweise vcrgeblich suchen.
Wie er hier gewirkt hat, das blieb ebenso eine Kenntnis weniger
Nahestehender, wie so manches, was die Historie ihm verdankt. Äber
es bleibt darum nicht minder bedeutsam, daß vielc von den Aller-
größten, die der Gegenwart neue künstlerische Welten erschlossen,
Böcklin, Hans v. Maroes, Thoma, Hildebrand und Leibl, in ihm
den Johannes Baptista ihres Schaffens verehren müssen. Die Saat,
die seine beredte Bewunderung dieser Künstler schon zu einer Zeit
ausstreute, da öder Akademismus oder charakterloses Kopistentum die
deutsche Kunst regierten, hat heute hundertfältige Frucht getragen.

Es liegt ein besonders tragischer Zug darin, daß dieses wunder-
bar reiche und edle Leben hinabgehen mußte, ehe der faßbare Jnhalt
seiner Taten der Welt geschenkt werden konnte. Am 21. Februar
1901 erlöste der Tod den Neunundfünfzigjährigen von langen, schwer-
stcn Leiden, fünf Tage nur später als den alten Freund in Fiesole,
dessen unsterblichen Ruhm er aus der Wiege gehoben hattc. Der
letzte Akt des hundertmal erlebten Spieles setzte ein. Auf einmal
erschien der Name des stillen Mannes in allen Blättern; der Lor-
beer, den des Lebenden stolzer Spott stets abwehrte, hänfte sich auf
das frische Grab. Dem sofort lautwerdenden Wunsche, seine Ar-
beiten zu sammeln, aus seinem Nachtaß alles oft ersehnte Wcrtvolle
nun endlich zugänglich zu machen, wurde bald entsprochen. Zwei
Frcunde Bayersdorfers, sein Schwager August Pauly und dcr Dichtcr
Wilhelm Weigand, denen sich der Berliner Kunsthistvrikcr Hans Ma-
ckowsky anschloß, haben die Ausgabe seincr Schriften bcso-qt, die
bei Bruckmann erschienen ist. ** Den Band eröffnet eine Biographie
aus der Feder Weigands, mit all der Wärme und vornehmen E'n-
dringlichkeit geschrieben, die man bei solchem Anlasse von dem feincn
Essayisten erwarten kann. Mackowsky behandelt dann anf 25 Seiten
„Bayersdorfer als Kunstforscher und Acsthetiker", wobei die Entwick-
lung der küustlerischen Gesinnung in den letzten dreißig Jahren viel-
fach höchst interessant beleuchtet wird. Es folgen die größeren Ab-
handlungen und Aufsätze, einzelnes über Theater, Literatur und
Kunst und eine Reihe zum Teil geradezu wundcrvoller Aphorismen.
Die von Pauly ausgewählten 41 Briefe gewähren einen Blick in die
verschwiegensten Tiefen der Seele dieses Mannes, der ein Dichter
hätte sein können, wären Erhabenheit der Empfindung, Schöpferkraft
der Phantasie und Beherrschung der Form dazu allein vonnöten. Den
Schluß bildet die schöne Ansprache, die Pauly über der Aschenurne
des Freundes an die Trauerversammlung richtete.

** Adolf Bayersdorfers Leben und Schriften. Aus seinem
Nachlasse herausgegeben von Hans Mackowsky, August Pauly, Wilhelm Weigand.
Mit zwei Bildnissen (von Böcklin und von Thoma). München, Verlagsanstalt
F. Bruckmann, A.-G., t9«2. Gebunden ts Mk.

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