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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Haenel, Erich: Adolf Bayersdorfer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0337

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noch heute wertvollen Kritik unterzog. Daß Bayersdorfer den Zu-
sammenhang mit der Kunst der Kegenwart nicht verlor, dankte er
dem Kreise seiner Florentiner Freunde, einem Böcklin, Hildebrand,
Hans v. Marses u. a. Der berühmte Sammler und Kenner Baron
v. Lihhart, der Kunsthistoriker Cavalcaselle, dann Konrad Fiedler,
Karl Hillebrand vervollständigten die geistigen Elemente, an denen
Bahersdorfers Persönlichkeit reifte. Aus den köstlichen Briefen jener
Zeit fühlt man heraus, wie wohl er sich, trotz vieler physischer Leiden
und auch materieller Beengtheit in dieser Umgebung fühlte, in der
sein Humor immer buntere und ergötzlichere Blüten trieb. Ein Paar
Humoresken, die 1896 auch gesammelt erschienen, zeigen die Anmut
seines Formtalentes und die ironisch gefärbte Weltweisheit, zu der
dieses ruhelose Herz sich damals durchzuringen begann.

Trotz der Zurückgezogenheit, die dem seltenen Manne das halbe
Lebensglück bedeutete, war man doch mittlerweile auf die geheimen
Verdienste des Kunstforschers aufmerksam geworden. Er wurde 1880
zum Konservator der Schleißheimer Galerie berufen, ein Posten, den
er nach vier Jahren mit einem gleichen an der alten Pinakothek zu
München vertauschte. Jetzt konnte er auch die Frau heimführen, der
seine Liebe schon länger als ein Jahrzehnt gehörte, und den Sonnen-
scheiu häuslicher Ruhe genießen, den er so lange hatte entbehren
müssen. Seine Bedeutung als einer der ersten lebenden Kunstkenner
stand, besonders seit er in München selbst ansässig geworden war,
allgemein fest. Und selten hat wohl einer über all sein geistiges
Eigentum selbstloser, verschwenderischer verfügt. Mit vollen Händen
teilte er aus, was andere mit eifersüchtiger Pedanterie zu wahren
pflegen; jedem, der zu iym kam, gehörtc sein Rat, seine Hilfe. Aus
dem Bestande gesicherter wissenschaftlicher Wahrheit herauszusondern,
was auf Bapersdorfers Autorschaft zurückgeht, ist heute unmöglich.
Den Werdenden vor allen stand er mit eifriger Güte bei; aus seinen
Anregungen sprossen Dissertationen, Aufsätze, Spezialuntersuchungen
in ungemessener Zahl hervor. Sammlern und Händlern leistete seine
genaue Kenntnis des Bestandes an Kunstwerken sowohl der klassischen
Periode wie der Neuzeit unschätzbare Dienste, seine unbestechliche
Rechtlichkeit verbürgte jeden Erfolg. Auf zahlreichen Reisen vervoll-
ständigte er unermüdlich sein Wissen und hielt den befruchtenden Aus-
tausch mit den Fachkollegen aufrecht. Auch Morellis Angriffe, die
in den achtziger Jahren in der kunstwissenschaftlichen Welt so großes
Aufsehen machten, vermochten ihn nicht aus seiner literarischen Zurück-
haltung herauszulocken, noch weniger aber seine Autorität dauernd
zu schädigen. Seinc Neigung, wie Wallenstein „nichts Schriftliches
von sich zu geben", wuchs mit deu Jahren. So blieben die Viel-
schreiber unter seinen Kollegen immer der besondere Gegenstand seincs
Spottes. Untcr seincn eigencn Leistungen steht obenan die Heraus-
gabe des Klassischen Bilder- und Skulpturenschatzes, die er für den
Bruckmannschen Verlag gemcinsam mit seinem Freunde Franz v. Reber
besorgte. Daneben ist eigentlich der von kongenialem Verständnisse
getragene Aufsatz über Adolf Oberländer* allein zu nennen. Der
Anteil, den er an der Gründung des Kunsthistorischen Jnstituts in

* Abgedruckt im diesjährigen Fastnachtshefie des Kunstwarts.

2. Iuniheft 1903

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