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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft1903)
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Avenarius, Ferdinand: Theaterzensur
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0070

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^ksaterrensur.

Wir sind aus mehr Gründen Gegner der Theaterzensur, als
wir im Folgenden besprechen wollen. Es hätte, meinen wir, wenig
praktischcn Wert, Grundsätze zu betonen, über die man rechten kann,
so lange eine Vcrständigung möglich schcint auf demselben Boden,
auf dem auch der Andersdenkende steht. Greifen wir nun ein Bei-
spiel heraus und sehen wir nach, zu welchen Ergebnissen uns seine
ganz nüchterne Betrachtung von selber führt.

Wicder einmal hat die prenßische Theaterzensur im Mittelpunkt
langer und heftiger Bcsprechungen gestanden, und besonders das Ver-
bot von Heyses „Maria von Magdala" hat die Gemüter rechts und
links leidenschaftlich erregt. Wir unserseits haben davon noch nicht
gesprochen, weil wir erst festere Grundlagen für ein Urteil gewinnen
wollten. Nun liegt uns neben der bei Cotta erschienenen Buchaus-
gabe von Heyses Stück im Wortlaut die Entscheidung des Berufungs-
gerichtes vor, und zu Hunderten angehäuft stapeln sich vor uns in
Zcitungsaufsätzen Dokumente dcr öfsentlichen Meinung in allen Par-
teien. Ucber Mangel an Jnformatiousstoff also darf man nicht fürdcr
klagen.

Jn der Begründung des Oberverwaltungsgerichts stcht manchcs
Erfreuliche, das in den Zeitungsbesprcchungen kaum beachtet wvrdcn
ist. So schließt sich das BcrufungSgericht iu einem sehr wesentlichen
Punkte der freieren Auffassung an. „Die Ansicht, welche der Be-
klagte (der Polizciprüsidcnt) in erster Linie vertretcn hat, daß es
grundsätzlich zulässig sei, die Darstellung von Stoffen, dic den Jn-
halt der Bibcl bilden, auf der Bühne zu untersagen, und daß der
Verwaltungsbeamte ein solches Verbot als bcrechtigt anzucrkcnnen
habc, ohne Prüfen zu dürfen, ob einc Ausnahme hätte gemacht werden
sollcn und ob die Voraussetzungen dcs Z 10 a. a. O. vorhanden sind,
ist demgemäß mit dem Bczirksausschusse abzulehneu." Das Auf-
treten biblischer Gestalten und auch des Heilands an sich genügt also
auch in Preußen zu eiuem Theaterverbote fortan n i ch t mehr. Gott-
lob, der Erörtcrungcn übcr diesen Punkt sind wir iu Zuknnft ent-

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