Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

DOI Heft:
Heft 14 (2. Aprilheft1903)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Theaterzensur
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0071

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
hoben. Soll ein Verbot rechtsgültig sein, so muß vielmehr hinzu-
kommen, daß die Voraussetzungen „des ß 10 Titel 17 Teil II des
Allg. Landrechts" zutreffen, nämlich „Gefährdung der öffentlichen
Ruhe, Sicherheit und Ordnung" und „dem Publico oder einzelnen
Mitgliedern desselben bevorstehende Gefahr".

Aber das Oberverwaltungsgericht findet, daß dieser Paragraph
zutreffe.

Prüfen wir seine Gründe, so weichen wir dem Verdacht irgend-
welcher falscher Sachdarstellung am einfachsten aus, wenn wir die
Jnhaltsschilderung des Hehseschen Stücks aus dem Urteile des Ober-
verwaltungsgerichtes selber herübernehmen. „Die Heldin des Dramas",
so heißt es dort, „ist die Maria aus Magdala am See Genezareth,
von der die Evangelien berichten, daß sie sich Jesus anschloß, nachdem
dieser aus ihr sieben Dämonen ausgetrieben hatte, die sich dann unter
den bei der Kreuzigung anwesenden Frauen befand und zuerst am
Grabe den Auferstandenen sah, und die bercits frühzeitig von der
katholischen Kirche als dieselbe Person angesehen wurde, wie die Sün-
derin, welche in Simons Hause Jesus die Füße salbte. Kaum fünf-
zehn Jahre alt, war sie an einen um vierzig Jahre älteren Geiz-
hals und Trinker verheiratet worden, der sie sehr schlecht behandelte.
Nach drei Jahren entfloh sie mit einem Frennde nach Jerusalem,
wurde jedoch von ihm verlassen, als das mitgenommene Geld ver-
braucht war. Sie lebte darauf in Weltlust und Sünde. Zuletzt hatte
sie ein Liebesverhältnis mit Judas Jscharioth; beide waren von
gleichem Hasse gegen die Römer erfüllt. Judas weihte sich dem Hei-
lande, nachdem der letztere ihm seinen Wechslertisch im Vorhofe des
Tempels umgestoßen hatte. Maria wird zu einer andern, als sie
Jesus, zunächst bloß aus Neugierde und um zu erproben, ob er ihrer
Schönheit widerstehen werde, gesehen und gehört hat. Den Hohe-
priester, der sie bittet, Jsraels Feind durch ihre Reize zu verführen,
weist sie mit Ekel, aber ohne Zorn zurück und stellt sich bei Simons
Garten, wo die kleine Gemeinde um den Meister versammelt ist, am
Zaun hin, um Jesus wieder von weitem zu sehen und zu hören.
Das Volk nimmt an ihr Aergernis und will sie steinigen, läßt aber
davon ab, erschüttert durch das von einem aus der Mengc wieder-
holte Wort Christi: »Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den
ersten Stein auf sie.« Jetzt ist Marias Bekehrung vollendet. Nach-
dem sie als Büßerin vor Jesu gekniet, seine Füße gesalbt, mit Tränen
genetzt und mit ihrem Haare getrocknet hat, wird sie später jedoch noch
einmal vor eine schwere Entschließung gestellt. Christus ist von Judas
verraten worden, der sich in seiner Erwartung, es werde von Jesus
ein neues Reich auf Erden gegründet werden, getäuscht sieht, und
nun noch durch die Zurückweisung, die seine Liebe von seiten der
Maria erfährt und durch wilde Eifersucht wegen deren Verehrung des
Messias getrieben wird. Aulus Flavius, des Landpflegers Pontius
Pilatus Neffe, welcher schon srüher Marias Gunst begehrt hatte, er-
bietet sich, wenn Maria sich ihm hingebe, des Heilands Kerkertür
zu öffnen, so daß er zu entfliehen vermöchte. Maria überwindet
die Versuchung crst nach schwerem Kampfe: denn trotz ihres Glaubens
hält sie es doch für möglich, daß Christus durch ihre Sünde gerettet

50

Runstwart
 
Annotationen