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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 16 (2. Maiheft 1903)
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Ist Musik deutbar?
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0222

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und Geschichten denken darf, ist sie jetzt an einen einzigen Fall ge-
bunden. Aus diesem Grunde ist die Vorliebe für programmlose Jn-
strumentalmusik berechtigt. Der Verlust an Freiheit und an Kom-
binationen wird aber der Phantasie bei einer Jnstruktion von außen
durch einen Gewinn an Klarheit und Eindringlichkeit ersetzt. Die
Affekte treten aus der Allgemeinheit heraus, nehmen individuelle Züge
an, sie wirken kräftiger, frischer und eigentümlicher. Das Motiv:

spricht an sich eine schwellende, drängende Empfindung aus, die auf
Sehnsucht, aber ebenso gut auf Rachsucht zurückgehen kann. Erst
durch die Verbindung mit der Gestalt Don Juans wird es dämonisch.
So schärft das Programm und die Objektivierung den Affekt in der
Regel zu einem besondern Bild; es beschneidei^ der Phantasie den
Raum, nicht bloß der Phantasie des Hörers, sondern auch der des
Komponisten, verstärkt aber ihre Energie. Wo in einer programm-
losen Jnstrumentalkomposition besonders plastische Stellen heraus-
treten, da liegt meistens die Vermutung nahe, daß die Stimmung
und die Einbildungskraft des Tonsetzers an Realitäten angeknüpft
hat. Jst der Erklärer überhaupt im richtigen Geleise, so wird er
ihnen häufig auf die Spur kommen."

Das sind Sätze, die mit treffender Schärfe die Anschauungen for-
mulieren, von denen auch wir vom Kunstwart uns stets leiten ließen.
Was Kretzschmar weiterhin über die Notwendigkeit einer Vorschule
der Musikästhetik sagt, möge der durch die hier mitgeteilten
Grundsätze angezogene Leser an der angegebenen Stelle nachsehen.
Wir selbft beabsichtigen, der dort gegebenen Anregung zu folgen und
als Seitenstück zu den Uebungen im Bilderbesehen und Gedichtlesen
auch Uebungen im Musikhören, soweit es durch Worte sich
vermitteln läßt, im Knnstwart zu veranstalten.

L.08S klätter.

Oer poksl.

Von Ludwig Tieck.

Vorbemerkung. Nun sind fünfzig Jahre seit Ludwig
Tiecks Tode verflossen, und nur schattenhaft noch ragt in unsrer
Zeit die Gestalt, die einft im literarischen Treiben Deutschlands als
eine der lebendigsten mitwirkte. Freilich, auch bei Tiecks Tode schon
blickte man auf und fragte: lebtest du denn noch? Es scheint uns
höchst anregend, heute z-u lesen, was damals ein Größerer als Tieck,
was einer unsrer Großen über ihn empfand und umsomehr, als, was
er sagt, wohl auch heute noch als die richtige Umschreibung der
bleibenden Bedeutung Tiecks erscheint. Lesen wir also Friedrich
Hebbels Nekrolog:

„Ludwig Tieck ist gestorben. Der König der Romantik hat
das Szepter niedergelegt und ist in jene geheimnisvolle Welt zurück-
gekehrt, die er ein Menschenleben hindurch zu entschleiern suchte.

t?2

Kunstwart
 
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