Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben (16,2.1903)

I^uckwig kickter.

Jn einer Dresdner Bürgerstube sitzt eine ärmliche Kupferstecher-
familie bei der Arbeit ums tägliche Brot. Die Not der Zeit (es ist
nach den Napoleonjahren) zwingt anzunehmen, was es geben mag, Buch-
und Kalenderbild, Ansichten für die Wand, auch wohl Glückwunschkarten,
kurz, was an Bild der kleine Buchhändler und der Buchbinder verkaufen
und also bestellen kann, und wer mitessen will, findet es ganz selbstver-
ständlich, datz er mitarbeitet. Dazwischen zeichnen die Kleineren freilich
auch ab, was ihnen grad aus des Vaters Mappen gefällt — der hat keine
Zeit, sich viel drum zu kümmern. .Es mutzte sich eben alles wie von
selbst machen, und es machte sich auch." Ernster leidet unter dem allem
wohl nur der Aelteste, Adrian Ludwig, der nun schon im Stübchen
nebenan selbständig Prospekte radiert. Dem fehlt es wo — er mag es
sich kaum gestehen, es ist ja so unbescheiden, aber es ist so. Nicht, datz
er Ehrgeiz hätte: der Vater stach und zeichnete ja auch in Pate Zinggs
Kupferstichfabrik wacker bis aufs letzte Tüpfelchen, worunter dann doch
der Herr Prosessor ganz selbstverstündlich seinen Namen setzte, um es so
besser zu verkaufen — Gesellenarbeit, für die der Meister die Firma
gab. Und hatt' es nicht gerade der Aelteste in manchem noch besser
gehabt, als es nun die andern hatten? Hatte er nicht mehr Unterricht
bekommen, als jetzt die Geschwister daheim? Bilder hatt' er auf Bilder
in Sepia kopiert, jahrelang. Freilich, an die Farbe hatt' er noch
kaum herangedurft! Wie man mit zusammengefaltetem Papier den ver-
schiedenen Baumschlag tupft, hatt' er das nicht gelernt und hatt' er nicht
so und so viel lebensgrotze Kreidezeichnungen nach Pferdeknochen, manche
in verschicdenen Ansichten, genaulich nachzeichnen und sauber schraffieren

2. Septemberhest tgoz

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